Mit Ausnahme der Tatsache, dass diese 4km doch einige nicht steile, aber in sich sehr lang gezogene Steigungen enthielten, welche uns mitunter wieder ganz schön in die Grenzen der körperlichen Belastbarkeit verwiesen, barg die Strecke keine großen Besonderheiten mehr. Auch die Hitze hatte so langsam etwas nachgelassen, was uns auf Grund der körperlichen Belastung gar nicht so bewusst wurde und wir auch nicht wirklich als Abkühlung im eigentlichen Sinne spürten. Wir waren viel zu sehr damit beschäftigt, alles dafür zu geben, die letzten Kilometer bis zur ersten größeren Pause einigermaßen gut zu überstehen.
Augustenborg, Stuverum, Sandebo, Björkudden, Valningebo sind sämtlich kleinere Ortschaften im Gebiet Norrlandet, einem Teil der Insel in Gamlebyviken - also in der Bucht von Gamleby - welche wir passierten, um dann über eine kleine Landzunge das Naturreservat Segersgärde zu erreichen, an dessen westlichem Ufer wir dann unser erstes Nachtlager errichteten.
Blick von Segersgärde auf Gamlebyviken
Optimale Bedingungen zum Übernachten boten sich uns hier nicht aber wir waren einfach zu fertig um noch großartig zu suchen und vielleicht noch Vergleiche anzustellen oder zwischen verschiedenen Stellen zu wählen. Die Ausblicke auf die total naturbelassenen Landschaften allerdings entschädigten für vieles.
Über der Bucht zieht Abendstimmung auf
Hier geht´s zu weiteren, wunderschönen Bildern vom Naturreservat Segersgärde, welche aber nicht von uns stammen und aus urheberrechtlichen Gründen hier nicht direkt eingefügt werden dürfen.
Errichtet war unser Lager recht schnell. Da das Wetter wunderbar mitspielte, verzichteten wir gänzlich auf den Aufbau des Zeltes und breiteten statt dessen unsere Schlafsäcke auf der Wiese aus. Iso-Matten untergelegt, Nackenrollen aus den knitterfreien und strapazierfähigen Funktionsjacken gedreht, Schlafsäcke obenauf ausgebreitet und schon hätten wir uns zum schlafen lang machen können. "Du auch noch´n Tee?" Tobi schaute mich fragend an. "Ich hör´mich nicht nein sagen.... Ich geh´ mal schon Wasser holen. Schmeiß´ du inzwischen den Kocher an." Da unsere Trinkwasserflaschen nur noch knapp gefüllt waren, wir aber nicht wussten, wann wir das nächste Trinkwasser nachtanken konnten, behielten wir uns dieses lieber auf Reserve und wollten zum Kochen Wasser aus der Bucht verwenden. Optisch war dieses Wasser absolut sauber und ausserdem sollte es ja abgekocht verwendet werden und wir hatten zur Sicherheit auch noch Entkeimungstropfen dabei, welche bei korrekter Anwendung eine Abtötung aller Krankheitserreger und längere Keimfreiheit garantierten. Einziger Nachteil: Diese Tropfen waren chlorhaltig, schmeckten also - selbst bei geringer Dosierung - immer vor und gaben dem Wasser einen feinen "Schwimmhallen"-Geschmack. Aber das war auszuhalten.
Die paar Meter zum Seeufer waren schnell zurückgelegt. Ich musste dennoch ganz schön aufpassen, um nicht ständig in irgend welche Fladen zu treten, die wir bei der Auswahl unseres Schlafplatzes total übersehen hatten. Aber was soll´s - ist halt Natur pur.
Der kleine Benzinkocher, der uns bei der Zollkontrolle diese Umstände und Ärger bereitet hatte, spuckte schon seine kleinen blauen Flammen, als ich vom Ufer zurück war und ruckzuck war das Teewasser auf entsprechender Temperatur, so dass wir unseren Tee aufbrühen konnten. Schwarztee in Aufgußbeuteln sowie Zucker hatten wir ja als Erstversorgung mit eingepackt, ebenso wie die Fertiggerichte, von denen später an diesem Abend auch noch ein Beutel dran glauben sollte.
"Irgendwie schmeckt der Tee komisch.... Haste Salz erwischt statt Zucker?" Tobi verzog´s Gesicht, als hätte er tatsächlich grad ne Überdosis dieses Gewürzes zu sich genommen. Ich selber hatte noch nicht getrunken. "Nicht dass ich wüsste.... Habe die Zuckersticks genommen - wie sonst auch." In dem Moment fasste Tobi sich an die Stirn und uns schoss fast gleichzeitig ein einziger Gedanke durch den Kopf. "Klar - offene Bucht zur See - Ostseewasser. Und die Ostseee ist stark salzhaltig." Da hatten wir beide nicht dran gedacht. "Ach komm - so schlimm wird´s nicht sein. Ich probier zu trinken." Ein Versuch, welchen ich aber ganz schnell wieder aufgab, weil der Tee tatsächlich einen Salzgehalt hatte, welcher mit bestem Willen ein trinken auch nur geringster Mengen unmöglich machte. Wir wollten aber auf unseren Tee auch nicht verzichten. Also blieb uns nichts anderes, als nun doch an unsere restlichen Trinkwasser-Reserven zu gehen, frischen Tee aufzusetzen und zu sehen, dass wir am nächsten Morgen unsere Flaschen irgendwo schnell wieder auffüllen konnten.
An Schlafen war allerdings auch nach dem Tee und der Tütenmahlzeit nicht zu denken. Zuviel ging uns durch den Kopf und gab es zu erzählen. Teil´s in Erinnerung an das am Tag erlebte, teils aus irgendwelchen Themen, die uns grade so einfielen. Und natürlich wurde auch der nächste Tag mal schon geplant, also noch mal Kartenstudium betrieben und die Strecke abgesteckt. Etwa 20 Kilometer sollten es werden. Wir wollten ja auch zumindest einen Teil der am ersten Tag verlorenen Zeit wieder rein holen.
So gegen 23:00 - es war schon stockfinster um uns herum - überkam uns dann doch die Müdigkeit und auf eine von mir gestellte Frage nahm ich kurze Zeit später anstatt einer Antwort nur noch tiefes und entspanntes Atmen aus dem anderen Schlafsack wahr....
Lange sollte diese erste Schlafphase allerdings nicht andauern. Eine Nacht unter freiem Himmel hat sicher angenehme Seiten, wenn das Wetter mitspielt, birgt halt aber auch so manche Unanehmlichkeit. Das gemeine daran ist, dass man diese eben kaum abschätzen oder vorhersehen kann.
"Hey Olaf - hast du das auch gehört?" Wie von der Tanrandel gestochen saß Tobi in seinem Schlafsack und so weit ich das in dem spärlichen Lichtschein erkennen konnte, hatte er ein ziemlich blasses Gesicht. Es musste ihn also etwas ganz schön erschrocken haben. Hätte ich dem Outdoor-Spezi gar nicht zugetraut, wo er doch sonst immer einen so sicheren Eindruck machte. "Nein - was ist los?" Ich hatte meine Frage noch nicht richtig beendet als ich auch schon wahrnahm, was ihm diese Blässe in´s Gesicht getrieben hatte. Ein ziemlich lautes Grunzen war da zu hören. Zwei - drei mal kurz hintereinander. Es war auf Grund der Dunkelheit nicht auszumachen, aus welcher Richtung und Entfernung das kam - aber es war ohne Zweifel ein sehr deutliches Grunzen. "Scheiße - Wildschweine....?" Eher fragend und mit einem Unterton des nicht-wahrhaben-wollens stellte er diese Behauptung auf. "Ach komm - hör auf." Ich war mir natürlich selber in keiner Weise sicher, aber irgendwie wollte ich versuchen, Ruhe zu bewahren. "Das, was wir heute hier überall haben liegen sehen, waren eindeutig Kuhfladen und keine getrocknete Schweinesch....." Aber ganz ehrlich, auch mich konnte diese Antwort nicht beruhigen, geschweige denn brachte sie mich selber von dem Gedanke ab, dass hier doch so ne Viecher in der Nähe sein könnten. Dennoch lag mir grad noch was von scharfen Messern, die wir dabei hatten, und gutem Schweinebraten auf der Zunge. Na mit der Aussage hätte ich erst noch richtig daneben gehauen. Ich hab´s mir dann doch verkniffen.
"Hey komm wir hauen ab." Tobi war echt kurz davor, hier mitten in der Nacht die Segel zu streichen. "Ach was - mir ist zwar auch nich wohl aber ich denke, wir brauchen hier nix überstürzen. Da hat´s nirgends was fressbares und dass die an´s Wasser wollen, ist auch unwahrscheinlich. Die saufen kein Salzwasser. Und die Frischling-Zeit ist durch. Also mit Jungtieren gehen die auch nicht mehr." Mit solchen Aussagen versuchten wir uns gegenseitig zu beruhigen. Was dann letztlich doch dazu führte, dass wir blieben. Wir wollten die Nacht weiter hier verbringen, indem immer einer munter blieb und so die Stellung halten sollte und wenn notwendig, Alarm schlagen konnte. Das ganze ergab aber dann doch keinen Sinn mehr, da nach kurzer Zeit und vielleicht noch zwei bis drei grunzenden Geräuschen das ganze Schauspiel ein Ende hatte. Wir schliefen beide recht schnell wieder ein, allerdings bescheerte uns der nur oberflächliche Schlaf dann am nächsten Tag entsprechende "Anfangsschwierigkeiten".
Erst gegen 10:00 Uhr hatten wir unsere Schlafsäcke verlassen. Geschirr vom Vortag im See abwaschen, selber ne kurze Morgentoilette, packen der Rucksäcke. So gestaltete sich der Vormittag des Tag 2 im schwedischen Hinterland. Und so gegen 11:00 Uhr konnten wir dann unsere Rucksäcke schultern und losziehen. Nach nicht allzulanger Zeit passierten wir ein etwas weit ab des nächsten Ortes gelegenes Gehöft. Es stieg uns der Geruch eines Schweinestalles in die Nase, womit unser nächtliches Problem wohl eine Lösung gefunden hatte. Dennoch sind wir uns bis heute nicht sicher, ob es wirklich die Geräusche dieser Stallung waren, welche uns so derartig erschrocken hatten, oder ob uns da nicht doch ein Wildschweinbraten entgangen war......
Dienstag, 23. September 2008
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