Dienstag, 23. September 2008

Die erste Nacht unter Schwedens Himmel

Mit Ausnahme der Tatsache, dass diese 4km doch einige nicht steile, aber in sich sehr lang gezogene Steigungen enthielten, welche uns mitunter wieder ganz schön in die Grenzen der körperlichen Belastbarkeit verwiesen, barg die Strecke keine großen Besonderheiten mehr. Auch die Hitze hatte so langsam etwas nachgelassen, was uns auf Grund der körperlichen Belastung gar nicht so bewusst wurde und wir auch nicht wirklich als Abkühlung im eigentlichen Sinne spürten. Wir waren viel zu sehr damit beschäftigt, alles dafür zu geben, die letzten Kilometer bis zur ersten größeren Pause einigermaßen gut zu überstehen.

Augustenborg, Stuverum, Sandebo, Björkudden, Valningebo sind sämtlich kleinere Ortschaften im Gebiet Norrlandet, einem Teil der Insel in Gamlebyviken - also in der Bucht von Gamleby - welche wir passierten, um dann über eine kleine Landzunge das Naturreservat Segersgärde zu erreichen, an dessen westlichem Ufer wir dann unser erstes Nachtlager errichteten.

Blick von Segersgärde auf Gamlebyviken

Optimale Bedingungen zum Übernachten boten sich uns hier nicht aber wir waren einfach zu fertig um noch großartig zu suchen und vielleicht noch Vergleiche anzustellen oder zwischen verschiedenen Stellen zu wählen. Die Ausblicke auf die total naturbelassenen Landschaften allerdings entschädigten für vieles.





Über der Bucht zieht Abendstimmung auf

Hier geht´s zu weiteren, wunderschönen Bildern vom Naturreservat Segersgärde, welche aber nicht von uns stammen und aus urheberrechtlichen Gründen hier nicht direkt eingefügt werden dürfen.

Errichtet war unser Lager recht schnell. Da das Wetter wunderbar mitspielte, verzichteten wir gänzlich auf den Aufbau des Zeltes und breiteten statt dessen unsere Schlafsäcke auf der Wiese aus. Iso-Matten untergelegt, Nackenrollen aus den knitterfreien und strapazierfähigen Funktionsjacken gedreht, Schlafsäcke obenauf ausgebreitet und schon hätten wir uns zum schlafen lang machen können. "Du auch noch´n Tee?" Tobi schaute mich fragend an. "Ich hör´mich nicht nein sagen.... Ich geh´ mal schon Wasser holen. Schmeiß´ du inzwischen den Kocher an." Da unsere Trinkwasserflaschen nur noch knapp gefüllt waren, wir aber nicht wussten, wann wir das nächste Trinkwasser nachtanken konnten, behielten wir uns dieses lieber auf Reserve und wollten zum Kochen Wasser aus der Bucht verwenden. Optisch war dieses Wasser absolut sauber und ausserdem sollte es ja abgekocht verwendet werden und wir hatten zur Sicherheit auch noch Entkeimungstropfen dabei, welche bei korrekter Anwendung eine Abtötung aller Krankheitserreger und längere Keimfreiheit garantierten. Einziger Nachteil: Diese Tropfen waren chlorhaltig, schmeckten also - selbst bei geringer Dosierung - immer vor und gaben dem Wasser einen feinen "Schwimmhallen"-Geschmack. Aber das war auszuhalten.
Die paar Meter zum Seeufer waren schnell zurückgelegt. Ich musste dennoch ganz schön aufpassen, um nicht ständig in irgend welche Fladen zu treten, die wir bei der Auswahl unseres Schlafplatzes total übersehen hatten. Aber was soll´s - ist halt Natur pur.

Der kleine Benzinkocher, der uns bei der Zollkontrolle diese Umstände und Ärger bereitet hatte, spuckte schon seine kleinen blauen Flammen, als ich vom Ufer zurück war und ruckzuck war das Teewasser auf entsprechender Temperatur, so dass wir unseren Tee aufbrühen konnten. Schwarztee in Aufgußbeuteln sowie Zucker hatten wir ja als Erstversorgung mit eingepackt, ebenso wie die Fertiggerichte, von denen später an diesem Abend auch noch ein Beutel dran glauben sollte.

"Irgendwie schmeckt der Tee komisch.... Haste Salz erwischt statt Zucker?" Tobi verzog´s Gesicht, als hätte er tatsächlich grad ne Überdosis dieses Gewürzes zu sich genommen. Ich selber hatte noch nicht getrunken. "Nicht dass ich wüsste.... Habe die Zuckersticks genommen - wie sonst auch." In dem Moment fasste Tobi sich an die Stirn und uns schoss fast gleichzeitig ein einziger Gedanke durch den Kopf. "Klar - offene Bucht zur See - Ostseewasser. Und die Ostseee ist stark salzhaltig." Da hatten wir beide nicht dran gedacht. "Ach komm - so schlimm wird´s nicht sein. Ich probier zu trinken." Ein Versuch, welchen ich aber ganz schnell wieder aufgab, weil der Tee tatsächlich einen Salzgehalt hatte, welcher mit bestem Willen ein trinken auch nur geringster Mengen unmöglich machte. Wir wollten aber auf unseren Tee auch nicht verzichten. Also blieb uns nichts anderes, als nun doch an unsere restlichen Trinkwasser-Reserven zu gehen, frischen Tee aufzusetzen und zu sehen, dass wir am nächsten Morgen unsere Flaschen irgendwo schnell wieder auffüllen konnten.

An Schlafen war allerdings auch nach dem Tee und der Tütenmahlzeit nicht zu denken. Zuviel ging uns durch den Kopf und gab es zu erzählen. Teil´s in Erinnerung an das am Tag erlebte, teils aus irgendwelchen Themen, die uns grade so einfielen. Und natürlich wurde auch der nächste Tag mal schon geplant, also noch mal Kartenstudium betrieben und die Strecke abgesteckt. Etwa 20 Kilometer sollten es werden. Wir wollten ja auch zumindest einen Teil der am ersten Tag verlorenen Zeit wieder rein holen.

So gegen 23:00 - es war schon stockfinster um uns herum - überkam uns dann doch die Müdigkeit und auf eine von mir gestellte Frage nahm ich kurze Zeit später anstatt einer Antwort nur noch tiefes und entspanntes Atmen aus dem anderen Schlafsack wahr....

Lange sollte diese erste Schlafphase allerdings nicht andauern. Eine Nacht unter freiem Himmel hat sicher angenehme Seiten, wenn das Wetter mitspielt, birgt halt aber auch so manche Unanehmlichkeit. Das gemeine daran ist, dass man diese eben kaum abschätzen oder vorhersehen kann.
"Hey Olaf - hast du das auch gehört?" Wie von der Tanrandel gestochen saß Tobi in seinem Schlafsack und so weit ich das in dem spärlichen Lichtschein erkennen konnte, hatte er ein ziemlich blasses Gesicht. Es musste ihn also etwas ganz schön erschrocken haben. Hätte ich dem Outdoor-Spezi gar nicht zugetraut, wo er doch sonst immer einen so sicheren Eindruck machte. "Nein - was ist los?" Ich hatte meine Frage noch nicht richtig beendet als ich auch schon wahrnahm, was ihm diese Blässe in´s Gesicht getrieben hatte. Ein ziemlich lautes Grunzen war da zu hören. Zwei - drei mal kurz hintereinander. Es war auf Grund der Dunkelheit nicht auszumachen, aus welcher Richtung und Entfernung das kam - aber es war ohne Zweifel ein sehr deutliches Grunzen. "Scheiße - Wildschweine....?" Eher fragend und mit einem Unterton des nicht-wahrhaben-wollens stellte er diese Behauptung auf. "Ach komm - hör auf." Ich war mir natürlich selber in keiner Weise sicher, aber irgendwie wollte ich versuchen, Ruhe zu bewahren. "Das, was wir heute hier überall haben liegen sehen, waren eindeutig Kuhfladen und keine getrocknete Schweinesch....." Aber ganz ehrlich, auch mich konnte diese Antwort nicht beruhigen, geschweige denn brachte sie mich selber von dem Gedanke ab, dass hier doch so ne Viecher in der Nähe sein könnten. Dennoch lag mir grad noch was von scharfen Messern, die wir dabei hatten, und gutem Schweinebraten auf der Zunge. Na mit der Aussage hätte ich erst noch richtig daneben gehauen. Ich hab´s mir dann doch verkniffen.
"Hey komm wir hauen ab." Tobi war echt kurz davor, hier mitten in der Nacht die Segel zu streichen. "Ach was - mir ist zwar auch nich wohl aber ich denke, wir brauchen hier nix überstürzen. Da hat´s nirgends was fressbares und dass die an´s Wasser wollen, ist auch unwahrscheinlich. Die saufen kein Salzwasser. Und die Frischling-Zeit ist durch. Also mit Jungtieren gehen die auch nicht mehr." Mit solchen Aussagen versuchten wir uns gegenseitig zu beruhigen. Was dann letztlich doch dazu führte, dass wir blieben. Wir wollten die Nacht weiter hier verbringen, indem immer einer munter blieb und so die Stellung halten sollte und wenn notwendig, Alarm schlagen konnte. Das ganze ergab aber dann doch keinen Sinn mehr, da nach kurzer Zeit und vielleicht noch zwei bis drei grunzenden Geräuschen das ganze Schauspiel ein Ende hatte. Wir schliefen beide recht schnell wieder ein, allerdings bescheerte uns der nur oberflächliche Schlaf dann am nächsten Tag entsprechende "Anfangsschwierigkeiten".

Erst gegen 10:00 Uhr hatten wir unsere Schlafsäcke verlassen. Geschirr vom Vortag im See abwaschen, selber ne kurze Morgentoilette, packen der Rucksäcke. So gestaltete sich der Vormittag des Tag 2 im schwedischen Hinterland. Und so gegen 11:00 Uhr konnten wir dann unsere Rucksäcke schultern und losziehen. Nach nicht allzulanger Zeit passierten wir ein etwas weit ab des nächsten Ortes gelegenes Gehöft. Es stieg uns der Geruch eines Schweinestalles in die Nase, womit unser nächtliches Problem wohl eine Lösung gefunden hatte. Dennoch sind wir uns bis heute nicht sicher, ob es wirklich die Geräusche dieser Stallung waren, welche uns so derartig erschrocken hatten, oder ob uns da nicht doch ein Wildschweinbraten entgangen war......

Montag, 1. September 2008

Und weiter geht´s Richtung Norden

Die Strecke war klar, sollte uns fürs erste über den Damm und eine sich anschließende Zugbrücke aus Västervik heraus auf die Insel bringen, welche Västervik vorgelagert war. Diese Insel ist etwa 20km lang, und besteht zu großen Teilen aus Naturreservaten.

Blick auf die Zugbrücke zur Insel

Grössere Ortschaften gibt es ausser Västervik im Süden und Gamleby im Norden der Insel keine mehr. Dafür aber einige kleinere, malerische Dörfer, welche sich wunderbar in die hier sehr naturbelassene Umgebung einfügten. Die Architektur der Häuser entsprach dabei aber noch nicht dem typisch schwedisch-norwegischen Klischee vom roten Holzhaus. Diese sind dann erst weiter nördlich anzutreffen. Viele dieser Anwesen sind nicht von schlechten Eltern, was die Preise für diese Immobilien hinreichend beweisen.
Aber obwohl im Wesentlichen die Anwesen sehr gut gepflegt sind, machten doch einige der kleinen Gehöfte den Eindruck, dass es auch hier am nötigen Kleingeld mangelte um selbst geringfügige Reparaturen auszuführen. Grad auf dem Land ist die Bevölkerung finanziell doch nicht so gut gestellt, wie man allgemein annimmt. Auch hier verfallen kleine Höfe und im Gegensatz dazu werden große Betriebe immer mächtiger. Die Gesetze der Marktwirtschaft wirken also nicht nur in Deutschland.

In Schweden gilt zwar das so genannte „Jedermannsrecht“ – das heisst, solange wir keinen Schaden an der Natur anrichteten oder andere Mitbürger belästigten, hätten wir uns eigentlich bewegen können, wo wir wollten. Selbst auf privaten und eingezäunten Grundstücken. Dennoch ist in derartigen Naturreservaten Vorsicht geboten. So Dinge wie angeln, Pflanzen oder Teile davon beschädigen oder entfernen usw. sind streng verboten. Ist ja auch gut so. Und offenes Feuer hätte sich, obwohl auch nicht erlaubt, von selbst verboten, da die Temperaturen schon ziemlich hoch waren und extreme Trockenheit herrschte.

Da wir erst nachmittags in Västervik eingetroffen waren, war natürlich eine gesamte Tagessetappe von etwa 20km nicht mehr zu schaffen. Aber für die Hälfte sollte´s etwa noch reichen.

Nun kam also die erste Bewährungsprobe und ich würde in Erfahrung bringen, ob mein Training etwas gebracht hatte. Bei Tobi war ich mir da sicher, dass er keine Schwierigkeiten haben würde. In dem Alter ist das noch nicht so wild. Und sportlich ist er auch, obwohl er nach eigener Aussage vorher in dieser Hinsicht keine grossen Aktivitäten gestartet hatte. Bei ihm steckte aber auch mehr Routine drin, was sofort zu merken war. Um´s vorweg zu nehmen - wir sind an diesem Nachmittag, obwohl noch nicht mal sehr hohe Temperaturen herrschten, noch mächtig in´s schwitzen gekommen. 27 kg auf dem Buckel sind halt doch nicht zu verachten. Mit schätzungsweise 5 km die Stunde hatten wir auch ein recht gutes Marschtempo angeschlagen, konnten dieses auch relativ konstant halten, da zu Anfang der Streckenverlauf recht eben war. Es sollte sich aber bald zeigen, dass unter den gegebenen Umständen selbst dieses nicht zu schnelle Tempo noch etwas reduziert werden musste.

Wir hatten Västervik schon eine ganze Weile hinter uns gelassen und marschierten auf Piperskärr zu, eine dieser kleinen, malerisch gelegenen Ortschaften auf dieser Insel, welcher auch noch einzeln stehende Wohnhäuser vorausgingen. Hier sah ich auch zum ersten mal, dass die Post wohl nach amerikanischem Vorbild arbeiten musste. Jedes Gebäude einzel anzusteuern, wäre schon auf Grund der weiten Entfernungen untereinander aber erst recht wegen der teils sehr langen Zugangswege gar nicht möglich gewesen. Und so löste man das Problem recht einfach, indem alle Briefkästen der umliegenden Gebäude einfach zusammen an einem Standort aufgestellt wurden. Die Post konnte so rationell vom Briefträger zugestellt werden, ohne dass er sich Blasen an den Füßen holte.

Briefkastenanlage

Zum Teil waren diese Postkästen - obwohl gefüllt - unverschlossen. Es bestätigte sich damit einmal mehr die Aussage bezüglich dem Verhalten der Schweden gegenüber fremden Eigentum.

So langsam aber sicher nahmen sowohl die Strecke an Steigung als auch die Hitze zu. Normalerweise geht man davon aus, dass gegen Nachmittag die Temperaturen etwas fallen. Nicht aber hier, wo wir uns aufhielten. Ich glaube aber dennoch, dass dies mehr unserem subjektiven Empfinden zuzuordnen war. Es war einfach nur anstrengend. Stumm marschierten wir teils nebeneinander, teils hintereinander her, wobei ab und an gewechselt wurde, so dass jeder mal den "Leithammel" spielen musste. Karten oder gar Navi waren noch fehl am Platz, da wir uns momentan nur auf diese Straße konzentrierten. Es gab keine andere und in die nur sehr schwach bewaldeten Gebiete rechts oder links der Strecke auszuweichen war nicht möglich. Hätte auch nix gebracht. Die Sonne hätte uns dennoch voll erwischt. Nur gut, dass wir uns vorher noch gut mit entsprechendem Sonnenschutz eingecremt hatten. Regen wünscht man sich ja nicht unbedingt im Urlaub, aber so eine kleine Dusche wäre uns jetzt doch sehr willkommen gewesen. "Etwa 7 km waren das bis hier her? Und wie viele haben wir insgesamt vor uns?" Mit fragendem Gesichtsausdruck und ungläubigem Blick Richtung strahlend blauem Himmel stellte Tobi diese Frage. "Wenn ich mich nicht verrechnet habe, warn´s knapp 300". Na guten Abend. Wenn das so weitergeht, dann können wir bei Rückkehr nach Deutschland gleich noch ´ne Woche Urlaub ranhängen, weil wir in einem Zustand zurück kommen, der schlechter ist als bei der Abreise. Erholung gleich null. "Jetzt lass uns mal nicht gleich so schwarz sehen....". "...erst mal noch bis da rauf, wo die Straße auf den Hügel führt. Dort suchen wir uns ´nen schattigen Platz und dann ist erst mal Pause angesagt...." Die war bitter nötig. Der Blick, welchen wir von da oben genießen konnten, entschädigte zu einem kleinen Teil für die erlittenen Strapazen.



Tobi warnte mich noch, den Rucksack bei jeder kurzen Pause abzuschnallen. "Um so schwerer wird´s, den hinterher wieder aufzusetzen und dich wieder dran zu gewöhnen..." Ich konnte aber momentan alles andere gebrauchen als dieses Monstrum auf dem Rücken. Es war nicht die Kraft in den Beinen, welche nachlies. Da hätte ich ohne weiteres noch marschieren können. Nein - dieses Gewicht auf den Schultern machte mir mächtig zu schaffen. "Nach dem dritten Tag haste dich dran gewöhnt..." Obwohl es aufmunternd klingen sollte, fand ich diese Aussage momentan allerdings gar nicht so lustig. Und dann dieser ständige Drang nach Trinkbarem. Es musste ja kein Bier sein. Das hätte in dieser Hitze bei mir sowieso fatale Folgen gehabt. Aber auch mit dem Wasser mussten wir wohl oder übel etwas sparsam umgehen. Und ich hätte mir am liebsten eine der 1,5-Liter-Flaschen Wasser angesetzt und leergezogen.

Im großen und ganzen aber hatte diese doch etwas längere Pause ihre Wirkung nicht verfehlt. Wir erholten uns beide recht schnell und nutzten die Zeit natürlich auch, um noch mal ein kurzes Karten-Studium zu betreiben. Schon zu Beginn dieser ersten Etappe war klar, dass wir auf Grund der verspäteten Ankunft in Västerwik den ersten kleinen Verzug in Kauf nehmen mussten, ob uns dieser Umstand nun zusagte oder nicht, es war als gegeben hinzunehmen. Aber wir waren zu diesem Zeitpunkt noch ganz fest davon überzeugt, diese Verzögerung im Verlauf der Tour wieder rein zu holen.

Wir wollten uns dennoch schon jetzt auf der Karte nach einem geeigneten Schlafplatz umschauen, welcher letztlich etwa 10km vom eigentlich geplanten ersten Etappenziel entfernt auf der Karte definiert wurde. Von vorn herein hatten wir ja unsere Etappen so definiert, dass nach etwa 2-3 Tagen immer wieder ein Rastplatz erreicht werden sollte. Dem entsprechend waren unsere Lebensmittelvorräte kalkuliert und auch der Bedarf an Frischwasser berechnet. Das bedeutete nun natürlich auch in dieser Angelegenheit ein erstes Umdenken.

"Woll´n wir?" "Was heisst wollen - wir müssen weiter." Mit diesem Aufbruchsignal schnallten wir unsere Rucksäcke wieder auf, wobei uns geeignete Hilfsmittel natürlich immer recht waren. Mal war es eine halbhohe kleine Mauer oder ein Zaun - diesmal kam uns eine Mülltonne recht gelegen, um diese als "Aufbuckelhilfe" zu missbrauchen. Tobi hatte erst mächtig Zweifel, ob der Plastikdeckel dem Gewicht der Rucksäcke standhalten würde. Auch scheute er sich ein wenig davor, diese Tonne zu benutzen, da in unmittelbarer Nähe sich ein Wohnhaus befand und er bei Entdecken Ärger mit den Bewohnern befürchtete. Diese Zweifel erwiesen sich aber als unbegründet.

Weitere etwa 4km lagen nun an diesem späten Nachmittag noch vor uns, um unser vorverlagertes, korrigiertes erstes Etappenziel zu erreichen. Etwa 1 Stunde hatten wir dafür veranschlagt. Reichlich genug und selbst von Laien oder unter schwierigeren Bedingungen einzuhalten.

Sonntag, 10. August 2008

Auf nach Västervik

Entsprechend dem späten Ende des Vortages verlief dann auch der nächste Morgen etwas hektisch.
Auf 06:00 Uhr hatte ich den Wecker meines Handys eingestellt. Wohl wissend, dass wir dann doch noch mindesten 15 – 20 Minuten brauchen würden, um aus dem Bett zu kommen. Etwas mehr als 4 Stunden Schlaf sind eben nicht grade die Masse.
Aber viel war ja nicht zu tun. Die übliche Morgen-Hygiene war schnell erledigt, wohl auch deshalb, weil schon mal das rasieren weg fiel. Wir hatten uns vorgenommen, uns die gesamten drei Wochen nicht zu rasieren. Wenn schon Landstreicher, dann richtig :-)Und unsere paar Habseligkeiten waren schnell wieder in den Rucksack gepackt. Das Abziehen der Betten überließen wir ganz frech dem Personal und Frühstück gabs unterwegs.
Um 07:30 Uhr waren wir dann soweit, unser Hotel zu verlassen, quälten uns halb auf Knien mit unseren schweren Rucksäcken wieder besagte Wendeltreppe hinauf und standen erst mal im Regen. Den Ausspruch, den wir in diesem Moment beide auf den Lippen hatten, verkneife ich mir hier :-). Wir mussten aber auch los. Uns saß die Zeit im Nacken und wir wollten unbedingt unseren Zug noch erreichen.

Manchmal kommts aber doch alles ganz anders als man sich das so vorgestellt hatte.
Die Strecke zum Bahnhof war ja bekannt und trotz dass wir auch an diesem Morgen noch einen kleinen Umweg liefen, waren wir nach etwa 25 Minuten in der Bahnhofshalle, hatten also dann noch etwa eine halbe Stunde, um uns die Fahrkarten zu besorgen und den Bahnsteig ausfindig zu machen, von welchem aus uns unser Zug nach Süden bringen sollte. Die Zugverbindung nach Västervik hatte ich ja schon daheim aus dem WEB gezogen. Geplant war, um 08:20 Uhr ab Centralstation zu fahren. Wir hatten wohl noch andere Alternativen, aber diese wäre eine günstige, durchgängige Verbindung gewesen und wir wären um 11:50 Uhr in Västervik angekommen.

ResPlus Verbindungen Stockholm-Västervik

Grundsätzlich hätte die Zeit also gereicht. Nur hatten wir nicht damit gerechnet, dass viele Schweden neben ihrer schier unerschöpflichen Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft viele Dinge auch ganz gelassen angehen. Hektik ist ihnen ein Fremdwort. Gut 20, vielleicht 30 Menschen befanden sich im Reisezentrum. Und es mochten wohl so an die zehn Schalter gewesen sein, wovon aber nicht alle besetzt waren. Ich suchte mir also nach guter deutscher Gewohnheit einen der Schalter aus, wo ich vermutete, schnellstmöglich abgefertigt zu werden. 2 Reisende standen noch vor mir. Ich hatte meinen Rucksack abgeschnallt und mich da auf einem der unbesetzten Hocker niedergelassen, wartend, dass ich als vermeintlich dritter an diesem Schalter dann unsere Fahrkarten kaufen konnte. Erst nach etwa 10 Minuten Wartezeit kam Tobi zu mir und verwies mit einer leichten Kopfbewegung auf eine Anzeigetafel. „Du - ich glaub´, hier kannste dich gar nicht so einfach anstellen. Da musste ne Nummer ziehen.“ Ich schaute kurz in die vorgegeben Richtung. Mir war beim Eintreten diese Anzeigetafel gar nicht aufgefallen. Tatsächlich war hier ein System integriert, wie wir es aus Deutschland – vor allem aus Ämtern jeder Art – auch kannten. Also bin ich noch kurz zum Automat, holte mir meine Nummer und wurde erst mal etwas blass. Auf der Anzeigetafel blinkte in großen roten Ziffern eine Zahl so um 680. Genau weiss ich es nicht mehr. Unser Ticket aber wiess eindeutig die Zahl 730 aus. „Na dann – 8:20-Zug in den Süden – ade.“ Uns war nicht mal mehr vergönnt, auch nur die Rücklichter unseres geplanten Zuges in der Ferne verschwinden zu sehen.

Aber was solls. Ärgern hätte uns hier nicht weiter gebracht und so nutzen wir lieber die nun gewonnene Zeit, uns noch eimal über die nächste Fahrmöglichkeit und vor allem die notwendigen Umstiege zu informieren. Unser Plan, den ich in gedruckter Form vor mir ausgebreitet hatte, gab uns als nächste Möglichkeit einen Zug um 08:45 an. Das wäre ja auch weniger schlimm gewesen, wenn wir nicht auf Grund dessen etwa 60 km Umweg hätten fahren müssen. Dieser Zug fuhr in Richtung Malmö und nicht direkt nach Västervik. Wir mussten also in Linköping umsteigen. Und von da sollte es dann weiter gehen bis Västervik, der geplanten Endstation der Zugfahrt und Ausgangspunkt unserer Wanderung. Allerdings sollte uns dadurch auch zeitlich ein Mehraufwand von etwa 2 Stunden entstehen.
Die Abfertigung an den einzelnen Schaltern ging aber dann doch relativ zügig voran. Auch wurden bei weitem nicht alle gezogenen Nummern abgearbeitet. Mancher Fahrgast hatte wohl das Reisezentrum unverrichteter Dinge schon wieder verlassen. Es gab ja auch noch die Fahrkartenautomaten. So gegen 08:20 Uhr etwa war ich dann an der Reihe und konnte dem Angestellten meinen Reisewunsch äussern. Dass ich, trotzdem der gesamte Dialog ausschliesslich in englischer Sprache geführt wurde, dann doch die richtigen Fahrkarten in der Hand hielt, darauf bin ich heute noch stolz. Tobi ging sogar noch als Student durch. Und das ohne Vorlage eines Ausweises ausschliesslich durch abfragen des Alters und auf Vertrauensbasis und er konnte sich über eine nicht geringe Fahrpreisermäßigung freuen. Eigenartig – in solchen Situationen kann ich nicht anders, als unwillkürlich immer wieder Vergleiche mit ähnlichen Situationen in Deutschland anzustellen. Eine solche unbürokratische Verfahrensweise wäre bei uns undenkbar. Man hätte uns hier, ohne mit der Wimper zu zucken, zwei mal den vollen Fahrpreis berechnet. Selber schuld, wer sich nicht vorher eingehend informiert und dann Veto einlegt. Wozu waren bei uns nochmal die 5 Euro Beratungsgebühr zu zahlen?
Eines allerdings störte auch an der schwedischen Verfahrensweise des Fahrkartenverkaufs. Ich hatte ja schon erwähnt, dass die Schweden so gut wie keine Hektik kennen. Und das ließ uns der Bahnbeamte natürlich – unbewusst – auch spüren. So schnell, wie er sein Computer-System mit der Maus steuerte, lag die Vermutung nahe, dass sich sein Gehalt wohl kaum am Umsatz orientierte. Aber das konnte uns alles gleichgültig sein. Wir hielten jedenfalls gegen 08:30 dann die Fahrkarten in den Händen und konnten uns zum entsprechenden Bahnsteig begeben.
Die Fahrt sollte also mit dem Schnellzug (vergleichbar mit unserem Intercity) der Bahngesellschaft ResPlus von Stockholm bis Linköping und von da mit Veolia-Transport, einem Unternehmen der Connex-Gruppe weiter nach Västervik gehen. Das uns für beide Transportmittel jeweils getrennte Fahrkarten übergeben wurden, war ungewohnt und wir stellten uns die Frage, was es denn mit diesem Veolia-Transport auf sich hatte. Es war auch nicht ersichtlich, ob es sich hier um einen weiteren Anschluss-Zug handelte oder ob wir ab Linköping mit dem Bus weiter mussten. Das würden wir dann in Linköping am Bahnhof erfragen müssen.
Die Preise waren gegenüber den in Deutschlad üblichen sehr moderat. Zusammen umgerechnet etwa 80 Euro für eine cirka 300km lange Strecke sind wirklich nicht zu viel. Der Komfort in den Zügen ist trotz allem entsprechend hoch, auch wenn er nicht unmittelbar mit deutschem Standard verglichen werden kann. Von den Fahreigenschaften und der Geschwindigkeit her entspricht der schwedische Schnellzug allerdings mehr unseren Regionalzügen. Die niedrigere Geschwindigkeit ist wohl den landschaftlichen Gegebenheiten geschuldet. Die Strecken lassen oftmals gar keine 120 km/h oder mehr zu. Und da wir auf Grund dessen, dass der Zug hoffnungslos überfüllt war, weder unsere Rucksäcke in einem Gepäckfach ablegen konnten noch die Spur einer Chance hatten, einen Sitzplatz zu erhalten, mussten wir wohl oder übel die Tour bis Linköping stehend auf der Durchgangsplattform zwischen zwei Waggons verbringen. Der Lärmpegel und die uns ab und zu, wenn ein Fahrgast den Durchgang passierte, in den Rücken stoßende Abteiltür trugen auch nicht grade zur Erhöhung des Fahrkomforts bei.
Dafür entschädigte uns aber der Blick über eine jetzt schon schöne Landschaft, auch wenn der Regen im Verlauf der Fahrt noch leicht zunahm und erst kurz vor Einfahrt in Linköping aufhörte. Die Strecke führte über Norrköping unter anderem vorbei an den riesigen Produktionsstätten von Scania, wo übrigens neben den auch in Deutschland bekannten LKW auch Kriegstechnik und ganz normale Haushalttechnik wie Fernsehgeräte usw. produziert werden. Das hatte ich bis dato auch nicht gewusst. Schweden und Kriegstechnik – so wie ich die Schweden bisher kennenlernen durfte, war das für mich eine gar nicht passen wollende Kombination.

Wir hatten uns zur Sicherheit noch rechtzeitig beim Zugbegleiter erkundigt, wann wir den Umsteige-Bahnhof Linköping erreichen würden. Auf den Fahrkarten waren jeweils nur die Abfahrtszeiten vermerkt und wir wollten hier kein Risiko eingehen. Ausserdem war es bei unserem schweren Gepäck doch sicherer, dass wir uns rechtzeitig auf das Aus- und Umsteigen vorbereiteten. Gegen 11:10 Uhr sollte der Zug dort ankommen. Wenn man einmal die ursprünglich geplante Ankunftszeit in Västervik (11:50 Uhr) dagegen stellt, lässt sich schon erahnen, dass der Zeitverlust auf Grund des späteren Zuges doch erheblich war. Aber das war zu verkraften, zumal unser Zug fast pünktlich in Linköping einfuhr.
Hier sollten wir dann auch erfahren, was es mit diesem Veolia-Transport auf sich hatte. Wir hatten uns erst in der Annahme, mit dem Bus weiter zu müssen, an den Busplatz begeben, welcher sich unmittelbar vor dem Bahnhofsgebäude befand. Da aber werder von den elektronischen Anzeigetafeln noch aus den Aushangfahrplänen ersichtlich war, dass einer der Busse nach Västervik fahren würde, begab ich mich in eines der Fahrzeuge, um den Fahrer zu befragen. Eine jüngere Frau im Bus hatte wohl meine Frage mitgehört und antwortete, noch bevor der etwas unschlüssig blickende Fahrer dazu ansetzte, in feinstem englisch. Sie konnte mir also nicht nur gut verständlich machen, dass es sich bei unserem weiterführenden Transportmittel um einen Zug handelte, sonder gab mir auch gleich noch detaillierte Hinweise, wie wir zum entsprechenden Bahnsteig finden würden. Ihr herrliches Lächeln brachte dabei so richtig zum Ausdruck, dass es ihr eine Freude war, uns geholfen zu haben. Hätte schon gerne noch länger einen kleinen Smal-Talk mit ihr geführt, wenn nicht schon wieder die Abfahrtszeit unseres Anschlusszuges uns davon abgehalten hätte. So blieb mir leider nichts anderes, als mich so herzlich als irgend möglich bei ihr zu bedanken. Sie hats, glaube ich, auch so aufgenommen.
Und wir zogen unseren Weg weiter in die von der jungen Dame angewiesene Richtung zum Bahnsteig. Dort wartete auch schon unser Veolia-„Express“. Das war nix anderes als ein dieselgetriebener Schienenbus, wie er auch unter anderem in Deutschland auf weniger befahrenen Nebenstrecken eingesetzt wird.

unser Schienenbus von Veolia, hier bei Ankunft in Västervik

Mit nur ein paar Fahrgästen besetzt und personalmäßig außer dem Fahrer mit einer hübschen Zugbegleiterin ausgestattet, tuckerte das Gafährt, so quasi an jedem Briefkasten anhaltend, seiner Wege und brachte uns in knapp 2 Stunden bis nach Västervik.
Wir hatten fast die freie Auswahl, wo wir sitzen wollten und auch das Abstellen unserer Rucksäcke stellte gar kein Problem dar. Obwohl dafür eigentlich gar kein genau definierter Platz vorgesehen war, wurden wir kurz angehalten, diese doch bitte im hinteren Teil des Fahrzeuges abzustellen, auch wenn dadurch die hintere Eingangstür fast verstellt wurde. Die Fahrgäste wurden höflich gebeten und darauf hingewiesen, doch bitte zum Aussteigen nur die vordere Tür zu benutzen. Unkomplizierter ging es nicht mehr.
Sehr sauber war es da drin und ich traute meinen Augen und Ohren kaum, als eine der weiblichen Fahrgäste sogar einen Kaffee bestellte. Was uns beim Einsteigen gar nicht aufgefallen war, waren zwei große Pump-Thermoskannen, welche im Fahrgastraum unmittelbar neben der Tür zum Führerstand auf dem Boden standen und mit deren Hilfe der Wunsch der Dame umgehend erfüllt wurde. Man arbeitet hier eben selbst in so kleinen Fahrzeugen unglaublich freundlich, kunden-und serviceorientiert. Tobi bekam von alledem allerdings fast nichts mehr mit. Er war, kurz nachdem das Vehikel seine Fahrt aufgenommen hatte, eingeschlafen. Der wenige Schlaf der Tage vorher sollte aber auch bei mir dafür sorgen, dass mir auf dieser Strecke mehrfach die Augen zu fielen, obgleich ich keinen festen Schlaf finden konnte. Was unser Gepäck betraf, hatte ich nicht ein einziges mal die Befürchtung, dass damit unrechtes geschehen könnte, obwohl wir zeitweise beide schliefen und dieses während der gesamten Fahrt ausserhalb unseres Sichtfeldes war. Es bestätigte sich wieder einmal die Aussage, welche Tobi schon bei seine ersten Reiseerzählungen gemacht hatte, dass es in Schweden zumindest in ländlichen Gebieten kaum jemanden interessiert, wenn herrenlos irgendwo etwas abgestellt wird. Es käme niemand auch nur ansatzweise auf die Idee, irgend etwas wegznehmen. Wenn sich diesbezüglich in Schweden jemand etwas zu schulden kommen liese, wäre derjenige auf lange Zeit unbeliebt und geächtet.

Strahlender Sonnenschein und wirklich sommerliche Temperaturen empfingen uns in Västervik. Dieses Wetter war nicht im geringsten mit dem zu vergleichen, welches wir auf der Zugfahrt von Stockholm nach Linköping haben erleben müssen und auf welcher wir schon leise Zweifel hegten, ob sich das in den nächsten Stunden noch ändert. Ein verregneter Urlaubsbeginn wäre absolut nicht das gewesen, was man sich wünscht. Aber ganz im Gegenteil - herrlich warm war es hier. Nicht zu heiß. Das hätte das ganze gleich wieder ins Gegenteil gekehrt und ist ebenso nicht das, was wir beide brauchen konnten. Und angenehm windig wars, da wir uns ja jetzt schon unmittelbar in Ostseenähe befanden. Also Urlaubswetter vom feinsten.
Wir konnten also nun endlich die Tätigkeit aufnehmen, weswegen wir eigentlich nach Schweden gekommen waren - wandern. Bevor es aber losgehen konnte, musste noch eine kleine Hürde genommen werden. Da wir aufgrund der extremen Sicherheitsbestimmungen im Flugverkehr keinerlei brennbare Flüssigkeiten bei uns führen durften, mussten wir unseren Vorrat an Bezin für den Campingkocher vor Ort noch auffüllen. Der Weg vom Bahnhof in den Ort war mit etwa 2km nicht so lang, dennoch hatten wir aber noch keine Tankstelle entdeckt. Uns blieb nichts anderes, als uns durchzufragen, was letztlich auch nicht mehr erbrachte, als den Hinweis auf ein sich im Ortsmittelpunkt befindendes Touristen-Informations-Büro. Dort allerdings konnte man uns dann entsprechende Auskunft erteilen.

Ob das was wird?

Die einzige Tanstelle in diesem Stadtgebiet waren 2 Säulen im Hafengebiet und wurden offensichtlich auch genutzt, um die zahlreich vorhandenen kleinen Boote, welche hier festgemacht waren, zu betanken.

..eines der wichtigsten Verkehrsmittel in Schweden....

Nun sind aber diese kleinen – und wie sich später herausstellen sollte – auch manche größere Tankstelle nicht ganztägig mit Personal besetzt. Diese kleine Einrichtung hier machte jedenfalls auch den Eindruck, als hätte Sie menschliches Personal seit Tagen nicht gesehen. Es gibt allerdings an ausnahmslos jeder Tankstelle die Möglichkeit, den Tankautomaten zu benutzen und mit Kreditkarte zu bezahlen. Wenn er denn funktioniert! Die rund 1,5 Liter Benzin, welche wir fürs erste für den Kocher und die Reserveflasche benötigten, haben jedenfalls einen etwas grösseren Kampf gekostet. Den Automaten soweit zu bringen, dass er eine unserer Kreditkarten akzeptierte, hat ein paar Nerven gekostet. Aber was wollten wir tun? Diese Automaten sind so eingerichtet, dass erst eine Karte akzeptiert werden muss, dann die Säule definiert wird und dann kann man seinen Sprit zapfen. Danach wird die Karte wieder gelesen, die Säule nochmals angegeben, der Wert gebucht und der Bon gedruckt. Bei einem fast defekten Kartenleser ein reines Roulettspiel. Keine Ahnung, wie viele Fehlversuche ins Land gingen, bis wir endlich unsere Behältnisse aufgefüllt hatten und losziehen konnten.

Montag, 4. August 2008

Erste Schritte auf schwedischem Boden

Tobi hatte mich im Verlauf der Tour-Vorbereitungen mehrfach darauf hingewiesen, dass die Mentalität der schwedischen Menschen eine ganz andere ist als in Deutschland. Ungleich höflicher und zuvorkommend seien die Menschen hier. Und das sollte ich schon bei meinen ersten Schritten auf schwedischem Boden, bei meinen ersten Begegnungen mit den Menschen dieses Landes am eigenen Leib erfahren.

Wir hatten unsere Rucksäcke am Gepäckband in Empfang genommen. Entgegen unserer Zweifel, welche wir noch bei der Abgabe in Stuttgart hatten, waren diese unbeschadet und vollständig in Stockholm angekommen. Aufgeschnallt waren diese Monster schnell. Inzwischen hatte ja sogar ich etwas Erfahrung, wie man schnellstmöglich und ohne zu große Anstrengung diese Masse an Gepäck wieder auf den Buckel bekommt.
Wir hatten geplant, mit dem Arlanda-Express die etwa 40 km vom Flughafen nach Stockholm zu fahren. Das ist ein Shuttle, welcher alle 15 min. ohne Zwischenhalt zwischen Flughafen Arlanda und Stockholm Centralstation (Hauptbahnhof) pendelt.

Warten auf den Arlanda-Express

Bahnsteig unter dem Flughafen Arlanda

Und so trotteten wir in Richtung Bahnsteig. Vorab mussten wir natürlich unsere Fahrkarten noch lösen. Wir hätten das auch am Automaten tun können. Da aber keiner von uns wusste, welche Zone gelöst werden musste und wir kein Interesse hatten, wegen vielleicht falschem Fahrschein noch eine der enorm hohen schwedischen Strafgebühren zu zahlen, zogen wir es vor, uns am Schalter bedienen zu lassen. Wie sich allerdings auf der Rückfahrt zeigen sollte, war die Angst um Strafgebühren vollkommen unbegründet. Die Menschen hier hatten uns wirklich bis zuletzt als das behandelt, was wir für sie waren – Gäste. Aber dazu später mehr.

„Do you speak English?” – Wie konnten wir nur fragen? Natürlich sprach die Dame am Schalter gut englisch. Die Schweden sind ein gebildetes Volk, vor allem nicht so sprachfaul wie die Deutschen. Und es gibt nur wenige, die neben der Muttersprache nicht mindestens eine Fremdsprache in einem Umfang beherrschen, der es ihnen erlaubt, sich in den wichtigsten Lebenslagen angemessen zu verständigen. Dennoch sollten diese paar Worte während unseres gesamten Aufenthaltes in Skandinavien zur Standardfrage werden, um mit unseren Gastgebern ins Gespräch zu kommen und mit ihnen kommunizieren zu können. Mitunter hätte man sich auch auf Deutsch unterhalten können. Das aber wollten wir nicht, einfach auch deshalb, weil wir uns zwingen wollten, unsere Englischkenntnisse soweit als möglich anzuwenden und eventuell dadurch sogar zu erweitern und zu festigen. Und was Tobi nicht wusste, wusste ich und umgekehrt. Wir haben uns da wunderbar ergänzt und nur in den seltensten Fällen musste das Wörterbuch herhalten.

Der Fahrkartenkauf war von der Sache her nichts Spektakuläres und prinzipiell nichts anderes wie in Deutschland. Und dennoch hatte das ganze etwas für sich, schon auf Grund der Beratung, welche wir erfahren haben. Uns wurde nicht schlicht das teuerste Ticket verkauft sondern wir wurden erst einmal gefragt, wie lange wir denn unseren Aufenthalt in Schweden geplant hatten, ob wir die Rückfahrt gleich mit buchen wollten und da gäbe es ja momentan dieses Sonderangebot, wo innerhalb einer gewissen Aufenthaltszeit zwei Personen zum Preis von einer fahren könnten……… und noch einiges mehr. Man hatte echt den Eindruck, dass hier Beratung und Kundenzufriedenheit an erster Stelle stehen.
Nun gehe mal einer in Deutschland an den Ticketschalter und versuche dort, für eine bestimmte Strecke ein günstiges Fahrpreis-Angebot zu bekommen. Bei dem fundierten Fachwissen, was manche Möchte-Gern-Fahrkartenverkäufer da so zusammenstammeln, sollte das doch kein Problem darstellen oder? Und für diese „gute“ Bratung sind dann in Good old Germany noch 5,- Euro Aufschlag fällig, weil man ja den Service einer „persönlichen Beratung“ am Schalter in Anspruch genommen hatte.
Wir waren jedenfalls sehr angenehm überrascht und die Freundlichkeit der Menschen hier hatte zum ersten Mal ihre Spuren bei uns hinterlassen. Der Art Spuren sollten dann im Verlauf der Reise noch einige dazu kommen……….

Also dann – auf nach Stockholm. Unseren Arlanda-Express hatten wir dank der recht kurzen Entfernung und der guten Beschilderung zum Bahnsteig noch so erreicht, dass wir keine längere Wartezeit auf den nächsten Zug in Kauf nehmen mussten. Übermäßig voll besetzt war er auch nicht, so dass wir zumindest freie Platzwahl hatten und auch unsere Rucksäcke mit zwischen den Sitzen abstellen konnten, ohne dass diese irgendjemanden gestört hätten.
Und dann ging die Fahrt ab. Etwa 40 km bis nach Stockholm, ohne Zwischenhalt in etwa 20 Minuten. Die visuellen Informationssysteme (Bildschirme) in den Waggons ließen uns den Streckenverlauf gut mitverfolgen, auch wenn die Ansage der Zielhaltestelle von uns nicht verstanden wurde. Irgendwie hatte man versäumt, diese Ansage in Englisch zu wiederholen. Normalerweise ist das hier im Land Standard.
Ja – und dann standen wir in der Centralstation (Hauptbahnhof) und wussten erst mal gar nicht, in welche Richtung wir jetzt weiter sollten. Das Gebäude ist der Art groß, mit einer nicht geringen Anzahl von Ausgängen und Unterführungen in alle Richtungen.

Stockholm Centralstation

Die Straßen und Plätze, welche durch die einzelnen Ausgänge erreicht werden konnten, waren überall gut ausgezeichnet. Das half uns aber im Moment gar nicht weiter, da wir absolut keine Richtung hatten, in welcher sich unser Hotel befinden sollte. Einzig die genaue Adresse und der Name waren bekannt. Wir wussten auch, dass es laut Internetseite, auf welcher ich gebucht hatte, nur etwa 600 Meter vom Hauptbahnhof entfernt sein sollte. Also auch wieder zu wenig, um eventuell ein Taxi oder ähnliches zu nutzen. Das Navi deswegen einzuschalten, welches uns sicher dahin geführt hätte, war uns für die kurze Strecke auch zu doof. „Ich werde mal sehen, dass ich irgendwo einen kleinen Stadtplan finde.“ Mit diesen Worten ließ ich Tobi für einen Moment alleine und wandte mich dem Informationsbüro zu, welches sich in unmittelbarer Nähe befand. Wie in den Info-Zentren in Deutschland auch liegen da meist so kleine, grob gegliederte Innenstadtpläne zum kostenlosen Mitnehmen aus. Und ich hatte Glück.

Stadtzentrum Stockholm

Mit einem solchen Mini-Plan kehrte ich zurück und die gesuchte Straße war recht schnell gefunden. Nach kurzer Standortbestimmung war dann auch die Marschrichtung klar. City-Hotel Stockholm, Fleminggatan 19. Im Nachhinein sollte sich dann aber doch herausstellen, dass entweder auf der WEB-Seite falsche Angaben standen, oder der schwedische Meter nicht unbedingt der Länge eines deutschen Meters entsprach. Jedenfalls waren wir – grob an der Laufzeit geschätzt - reichlich mehr als einen Kilometer unterwegs. Es fing dann auch noch leicht an zu regnen, was uns Globetrotter aber nicht im Geringsten störte.

City-Hotel

Hätte dann an der kleinen Eingangstür vom Hotel nicht der Name dieser Herberge gestanden, wären wir glatt dran vorbei marschiert. Das aus roten Klinkern im nordischen Baustil errichtete Gebäude machte von außen gar nicht den Eindruck eines Hotels oder einer Jugendherberge. Und selbst als wir den Eingang passiert hatten, war da nicht das Gefühl, uns am richtigen Ort zu befinden. Nicht etwa die Rezeption befand sich vor uns sondern weiter nichts als eine der engsten Wendeltreppen, die wir jemals gesehen hatten und die uns erst einmal eine Etage tiefer ins Kellergeschoss bringen sollte. Wir hatten sogar echt Mühe, unsere Rucksäcke da durch zu bekommen, mussten sogar ein Stück in die Hocke gehen, um diese Enge unbeschadet passieren zu können. Wo waren wir hier eigentlich hin geraten?
Unten angekommen machte das ganze dann aber schon einen etwas anderen Eindruck. Zwar eng und verwinkelt aber sauber.

Waschgelegenheit und rechts hinten die Rezeption

Wir wurden an einer Fenster-Luke, die eher an einen Marktstand erinnerte als an eine Hotelrezeption, von einer hübschen schwedischen Blondine empfangen, mit welcher wir die Check-In-Formalitäten erledigten und welche mit einem netten Lächeln uns die ersten knapp 700 Schwedischen Kronen abnahm und uns dann unseren Zimmerschlüssel und die Bettwäsche aushändigte.
Das Zimmer selber – naja :-) Was wollte man für den Preis in einer doch recht teuren Weltstadt wie Stockholm auch erwarten? Anspruchsvoll sind wir ja beide nicht. Aber etwas mehr hätte da schon sein können. Das Doppelstockbett, ein Mini-Tisch, grad soviel Platz zwischen Bett und gegenüber liegender Wand, dass wir nicht beide gleichzeitig hätten da stehen können. Kleiderhaken und Spiegel an der Wand, kein Fenster aber dafür ein vergitterter Abluftschacht wie in einer Toilette. Und einen Fernseher hatten wir!! Der hing zwar wie reingeschossen in einer zugemauerten Fensternische, brachte auch kaum mehr als 1-2 Programme (in Schwedisch natürlich) aber es war halt ein Fernseher. Das EM-Endspiel konnten wir damit jedenfalls vergessen.
Ja – und nun war Betten beziehen angesagt. Und das auch noch bei diesem Doppelstockbett. Eine seit Jahren nicht mehr trainierte Tätigkeit. „Das ging doch irgendwie mit nach links wenden und die Bettzipfel fassen oder wie?“ Beide standen wir für den ersten Moment ratlos da. „Fass doch hin wo du willst. Wird schon irgendwie passen.“ Irgendwie – dem entsprechend sahen die Betten dann auch aus. Erinnerten mehr an eine zerknitterte Zeltplane als an eine frisch bezogene Bettdecke. Aber es war ja nur für eine Nacht. Männerwirtschaft eben.

Schon lange nicht mehr trainiert - Betten beziehen

Das Ergebnis - Na ja :-)

Zwischenzeitlich war es auch schon 18:00 Uhr und wir hatten uns ja vorgenommen, an diesem Abend das EM-Finalspiel zu sehen und unsere Ankunft in Schweden ein klein wenig zu „begießen“. Zuviel Alkohol durfte es allerdings nicht sein. Zum ersten war dieser in Schweden viel zu teuer, zweitens wollten wir ja am nächsten Tag schon früh raus, um unseren Zug nach Västervik zu erreichen. Und Fahrkarten dahin hatten wir auch noch keine. Nach dem „Kraft-Akt“ des Betten-Beziehens kehrten wir also unserer Herberge erst mal den Rücken und gingen, nur mit unseren Fotoapparaten bewaffnet, auf Erkundungstour rund um den Bahnhof und dessen näherer Umgebung. Die Altstadt und damit die bekanntesten Fußgängerzonen – die Drottninggatan und die Sergelgatan – waren nicht weit entfernt.

in der Drottninggatan

Und dort würde sich bestimmt ein kleines Restaurant finden lassen, wo wir etwas gegen unseren Durst tun konnten. Zumal es selbst um diese Tageszeit hier noch recht schwül und drückend war.

Ein Bier bekommt man ja in Schweden auch in jedem Supermarkt zu kaufen. Es ist also ganz und gar nicht so, wie ich erst dachte, dass da nur schwer was zu bekommen wäre. Es gibt reichlich. Nur – es ist sehr teuer und mitunter ein echtes Wagnis, diesen gelben Saft als „Bier“ zu bezeichnen. Mit anderen Worten, mitunter ist der Geschmack echt nicht das, was wir hier in Deutschland unter Bier verstehen. Nicht anders ist es mit dem Alkoholgehalt. Sind wir in Deutschland einen Gehalt von 5,5 % und aufwärts gewöhnt, haben die schwedischen Biersorten 2,5 und 3 %. Da braucht´s einiges, um Wirkung zu zeigen. Man bekommt natürlich auch etwas stärkere Sorten – so etwa 4,5 % - dieses „Starköl“, wie es in Schweden genannt wird, gibt´s aber nur in Restaurants. Daher auch unser Entschluss, uns in einem solchen niederzulassen. Hängen geblieben sind wir dann schließlich im Restaurant „Barcelona“, ebenfalls in der Drottninggatan.

Restaurant Barcelona

Tobi beim "Starköl"

Aber auch der Hunger meldete sich so langsam aber sicher. Und in einer Wirtschaft mit spanischem Namen sollte es ja nicht so schwer sein, in der Menükarte etwas Passendes zu finden. Da sind wir aber wirklich mit total falschen Vorstellungen an die Sache heran gegangen. Bei der netten Kellnerin eine Menükarte zu ordern, war in diesem Fall noch das einfachste. Aber die Möglichkeiten, daraus auch etwas zu bestellen, waren gering. Die Menübezeichnungen – leider alle ausschließlich in Schwedisch und Spanisch – ließen teilweise nur schwer erahnen, was sich dahinter verbarg.

...wie kann man da was bestellen?

Das erste Gericht, was wir uns bestellten, schmeckte zwar nicht schlecht, konnte aber unseren Hunger nicht im Geringsten stillen. Da wir ja weder der schwedischen noch der spanischen Sprache mächtig waren, konnten wir ja auch nicht wissen, dass wir uns hier für eine Vorspeise entschieden hatten. Man hätte halt doch mal ins Wörterbuch schauen sollen.
„Weist was – da drüben die Gäste da an der Tür haben grad ihr Essen bekommen. Sieht verdammt reichlich aus. Ich geh jetzt auf Toilette und im Vorbeigehen schau ich da einfach mal drauf.“ Mit diesen Worten war ich dann auch schon fast in der Wirtschaft verschwunden. Mir war das im Moment eigentlich ganz egal, was andere dabei dachten. Wichtig war einzig, dass wir was Ordentliches zu Essen hatten. „Sieht aus wie so ne Art Paella, sind jedenfalls so Krabben mit drauf, Reis – was meinst Du?“ Ich hatte meine Frage noch gar nicht richtig zu ende gesprochen, da war Tobi auch schon dabei, die Kellnerin heranzuwinken und mit Fingerzeig auf den Tisch an der Tür bestellten wir dann „The same…..“ also dasselbe, was diese Gäste verspeisten. Hat zwar ne Weile gedauert, bis die Kellnerin begriffen hatte, was wir denn eigentlich wollten, aber sie ging dann doch vor sich hin schmunzelnd in den Office und nach guten 20 Minuten hatten wir die gleichen Portionen vor uns stehen als unsere Nachbarn. Was die Dame bei unserer Art zu bestellen dachte, hätte mich schon brennend interessiert…. Satt geworden sind wir jedenfalls und geschmeckt hat es mehr als gut. Der Gesamtpreis für diesen Restaurantbesuch war allerdings dann auch nicht zu verachten :-)

Gut zwei Stunden haben wir in diesem gemütlichen Lokal zugebracht, mehrere wirklich gut schmeckende „Starköl“ getrunken und über Gott und die Welt debattiert. Es war auch gut so, dass wir uns an diesem Bier etwas reichlicher bedient hatten. Wir sollten erst bei unserem Aufenthalt in Stockholm unmittelbar vor unserem Heimflug wieder ein so gutes Bier bekommen. An das EM-Endspiel, was wir uns eigentlich anschauen wollten, hatten wir schon lange nicht mehr gedacht. Es wurde zwar in der Wirtschaft auf einem Bildschirm übertragen aber uns war unser eigenes Gespräch um vieles wichtiger und erst ein Torschuss brachte uns dieses Spiel wieder ganz kurz in Erinnerung.

Dieser erste Abend in Stockholm wurde dann doch etwas länger als vorgesehen, da unser Rückweg zum Hotel uns über Straßen führte, die wir hinzu nicht passiert hatten. Oder mit anderen Worten – wir haben uns reichlich verlaufen. Ob das dem Bier zuzuschreiben war? Keine Ahnung…. Irgendwann sind wir jedenfalls wieder in Nähe des Hauptbahnhofes eingetroffen und der Weg von da zum Hotel war ja bekannt. Vorher gab es aber noch eine kleine Foto-Session. Der Anblick eines nächtlich voll beleuchteten Bahnhofsgeländes hat etwas ganz eigenes an sich.

Stockholm Bahnof gegen 0:00 Uhr

Stockholm Bahnof gegen 0:00 Uhr

„Du – ich habe Hunger.“ Diese Aussage von Tobi kam mir gar nicht überraschend. Mir ging es selber nicht anders. Es muss so gegen 00:15 gewesen sein, als wir wieder in unserem Hotel ankamen und der nächtliche Marsch durch Stockholm hatte natürlich auch seine Energie gefordert. Die letzte Mahlzeit lag auch schon um einiges zurück. „Und was gibt’s zu nächtlicher Stunde?“ Meine Gegenfrage entlockte Tobi ein total verschmitztes Lächeln, andererseits aber auch ein gespielt-ratloses Schulterzucken. „Flecke?“ Meine Frage nach dem „was gibt’s?“ hätte ich mir sparen können, wusste ja auch so, worauf der Kerle raus wollte. Wir hatten ja schon weit vor unserer Tour in der Firma jeder eine Portion dieser Sachsen-Flecke gegessen. Irgendwie hatte ich damit genau seinen Geschmack getroffen und diese wie auch die Schlachtplatte oder die Pferdebuletten hatten bei ihm den Wunsch nach mehr ausgelöst. „Bin ich dabei….“ Und mit diesen Worten hatte ich auch schon eine der Dosen aus dem Rucksack geholt um diese in der Mikrowelle, welche in dem kleinen Frühstücksraum zur allgemeinen Nutzung bereit stand, zu erwärmen. Die Nacht um halb eins saßen wir so jeder bei einer Portion dieser Innereien. Es sollte aber nicht bei dieser einen Dose bleiben.

So gegen halb zwei am Morgen sind wir dann endlich in unsere Betten gekrochen. Es wurde auch höchste Zeit denn um 6:30 Uhr sollte diese Nacht schon wieder ihr Ende finden. „Willst Du eigentlich oben schlafen? Oder soll ich…….?“ Mit einem schelmischen Lächeln stand Tobi so fragend vor mir. „So wie du grad guckst hast du doch schon wieder irgendwelchen Scheiß im Hinterkopf. Lass mal – jetzt hab ich mich schon mit dem Beziehen der Bettdecke da oben rum gequält. Da krieche ich jetzt auch da rauf.“ Schon war auch diese Frage geklärt.
Aber ich hätte mich besser anders entscheiden sollen. Rauf und auch wieder runter kam ich zwar über die Hühnerleiter, aber ich kam mir da oben vor wie in einer Konservendose. Drehen konnte ich mich grade noch. Jedoch war an ein aufrichten oder gar Sitzen nicht zu denken. Das Oberbett war dermaßen nahe an der Decke, dass ich mich quasi rein und raus rollen musste. Und ich bekam diesen Missstand auch am nächsten Morgen noch mal zu spüren, als ich, beim Versuch aufzustehen, unwillkürlich mit dem Kopf gegen die Decke schlug. Mit einem Fluch auf den Lippen war ich im wahrsten Sinne des Wortes schlagartig munter :-). Tobi bekam davon allerdings nichts mit. Er schlief noch total fest und erwachte erst vom Knarren der Zimmertür, als ich schon vom Duschen zurück kam.

Sonntag, 3. August 2008

Na dann guten Flug

Es ist jetzt endlich Sonntag, 29.06.2008. Wie lange haben wir beide uns auf diesen Tag gefreut. Geschlafen habe ich fast nicht. Und wie sich später herausstellte, ging es meinem Wanderkameraden nicht anders. Auch er hatte fast kein Auge zu getan. Bärbel hatte mich noch zum Flughafen gebracht und Tobias wurde von seinem Vater kutschiert.

Um 10:30 trafen wir uns jedenfalls wie vereinbart am Terminal 3 des Flughafens Stuttgart. Eine ganz kurze Suchaktion per Handy war allerdings noch notwendig, da wir uns in dieser Menschenmenge doch leicht verfehlt hatten.
„Wie geh´n wir´s an?“ Nach kurzem Begrüßungsritual stellten wir fast gleichzeitig diese Frage in den Raum. „Ich würde sagen, wir gehen gleich erst zum Check-In. Wir wissen nicht, wie langwierig die Sache sich gestaltet durch unsere Rucksäcke. Die gelten bestimmt als Sperrgepäck.“ Tobi: „OK. Dann ist das wenigstens erledigt und wenn noch Zeit sein sollte, geh´n wir halt noch was essen oder so.“ Gesagt und getan. Wir stellten uns also wie am Vortag nochmals am Schalter an. Nur ein Schalter offen und vor uns vielleicht an die 20 Fluggäste. Ich merke schon wieder, wie ich anfange zu schwitzen. Und das ist bestimmt nicht nur der hohen Temperatur in den Abfertigungshallen geschuldet. Ich will hier einfach nur raus! Mir stinkt die Warterei und Tobi geht´s nicht anders. Es vergehen allerdings kaum fünf Minuten und es wird der nebenan liegende Schalter mit geöffnet. Gleichmäßig verteilen sich nun die wartenden Fluggäste an beide Schalter und es geht relativ zügig voran.

Vorn angekommen registriere ich erst mal mit Genugtuung, dass nicht die extrem freundliche Dame vom Vortag im Office sitzt. In diesem Fall hätte ich sogar nochmals Wartezeit in Kauf genommen, um an einem anderen Schalter bedient zu werden. So aber ging alles reibungslos voran. Oder besser – fast reibungslos. Denn eine Nuss hatten wir ja noch zu knacken. Nachdem Ausweise und Flugbuchungen kontrolliert und für gut befunden worden waren und die Bordkarten gedruckt waren, ging es ans Wiegen des Gepäcks. Uns war von vornherein klar, dass wir über der Vorgabe von 25kg je Passagier lagen, hatten aber insgeheim gehofft, dass, da wir ja gemeinsam reisten, die Gesamtmenge berechnet und somit ein etwas geringeres Übergepäck in Rechnung gestellt werden würde. Aber da hatten wir, wie man so schön schlau sagt, die Rechnung ohne den Wirt oder besser ohne die Mitarbeiterin im Office gemacht. Fein nach Vorschrift wurde jedes Gepäckstück einzeln gewogen. Als ich meinen Rucksack auf der Waage hatte, schaute ich erst mal etwas erschrocken zu Tobi. Dessen Blick versprühte auch nicht grade Begeisterung. „27 kg – hätte ich echt nicht gedacht, das es doch so viel sind.“ „Na wart´s mal ab, bis ich meinen auf der Waage habe. Das sind nicht viel weniger.“ meinte er schon etwas verunsichert. Und er sollte Recht behalten. Stolze 25 kg waren es auch bei ihm. Schlappe 28,- EUR sind wir hier schon los geworden. Aber was soll´s, wir hätten auf nicht ein Stück mehr im Rucksack verzichten können. Also ab zur Kasse. Bevor der geforderte Betrag nicht gezahlt ist, können wir unsere Bordkarten nicht erhalten. Und ohne diese kein Flug – so ist das nun mal.
„Geben Sie dann bitte ihre Rucksäcke am Sperrgepäckschalter ab. Sie wissen, wo der ist?“ Die nette Dame im Office hätte uns noch erklärt, wo wir hin müssen. Durch mehrfache Flüge von Stuttgart aus wusste ich aber, wo wir diesen Schalter finden würden und lehnte daraufhin die Hilfestellung dankend ab.
Besser wäre aber mit Sicherheit gewesen, ich hätte es mir noch mal erklären lassen. Denn die Betonung liegt hier wirklich auf „wusste“. Ich wusste – gar nichts. Hatte nämlich nicht bedacht, dass sich insbesondere Terminal 3 seit längerer Zeit im Umbau befindet. Manches war halt dadurch nicht mehr so wie es vorher war. Und damit gab es auch den Weg zum gewünschten Sperrgepäckschalter nicht mehr. Aber ich hatte zumindest die Richtung noch etwa im Kopf und wir mussten nicht lange suchen.
Dieser Check-Point unterscheidet sich im Wesentlichen nur durch die Größe der Kontrollgeräte, welche eben auf das Röntgen von Sperrgepäck dimensioniert sind. Ansonsten ist das Prozedere das gleiche wie an den normalen Gepäckschaltern.
Den ersten Rucksack (meinen) also auf´s Band gewuchtet und ab ging die Tour in die Durchleuchtung. Den hochamtlichen Blick des Zollbeamten werde ich so schnell nicht vergessen, als er am Transportband den Rückwärtsgang einlegte, mein Rucksack plötzlich wieder vor mir lag und er uns eröffnete, was wir beide sowieso schon wussten und was eigentlich vorab auch schon unsere größten Bedenken auslöste. Der Benzin-Campingkocher! „Sie haben einen Campingkocher im Rucksack? Den hätte ich mir gerne näher angesehen.“ Freundlich war er ja, das muss man ihm lassen. Dennoch – ich hätte ihn lynchen können. Weis der eigentlich, wie viel Aufwand es war, die Rucksäcke so zu packen, dass alles am richtigen Platz war und alles stimmte? Und jetzt sollte ich diesen Rucksack wieder auspacken, nur dass er sich unseren Campingkocher ansehen konnte. Aber es hätte nichts geholfen. Er hatte den längeren Arm und die Sicherheitsbestimmungen an Flughäfen sind extrem streng. Und wenn wir dieser Aufforderung nicht nachgekommen wären – was hätte es uns gebracht. Also widerwillig den Rucksack wieder geöffnet und den Kocher ausgepackt. Nervös wie ich war brachte ich natürlich weder die Verschnürung des Rucksackes noch die Hülle des Kochers gleich auf. Tobi meinte nur noch: „Bleib doch ruhig….“ Das war aber leichter gesagt als getan. Ich hasse solche Situationen.
Eingehend wurde das Gerät inspiziert und ein leichter Benzingeruch lag in der Luft, als der Tank des Kochers geöffnet wurde. Nach intensivem drehen und schütteln des Kochers hatte es aber auch der Zollbeamte begriffen, dass der Tank leer war.
„Sie haben aber auch noch Gaskartuschen im Gepäck. Die sind sowohl im aufgegebenen Gepäck als auch im Handgepäck verboten.“ „Das sind Konservendosen, was Sie da auf dem Röntgenbild gesehen haben“ versuchte ich ihm zu erklären. Ich wusste ja, dass es sich hier nur um die drei 400g-Dosen Sachsen-Flecke handeln konnte, welche im Röntgenbild sichtbar wurden. „Das ist ein Benzinkocher. Da gibt es keine Gaskartuschen.“ Tobi versuchte dies dem Beamten klar zu machen, während ich schon dabei war, das untere Fach des Rucksackes zu öffnen und eine der Dosen auszupacken. „Sie wissen doch, dass Sie keine Gaskartuschen transportieren dürfen.“ Ich schaute mich kurz um zu Tobi und musste mir auf Grund der schwerfälligen Denke des Beamten das Lachen verkneifen. Tobis Gesichtsausdruck ließ allerdings keinen Zweifel offen, dass eines jetzt gleich explodieren würde. Entweder der Benzinkocher oder er.
Nachdem nun der Kollege vom Band die Konservendosen auch als solche identifiziert hatte, war dann wieder packen angesagt und unsere Rucksäcke verschwanden vorerst im nichts. „Ich hoffe nur, dass die auch dort ankommen, wo wir in gut drei Stunden sind.“ „Da hab´ ich nach diesem Erlebnis so meine Zweifel.“ entgegnete ich ihm. Da wir beide morgens noch nichts gegessen hatten und die Zeit bis zum Flug noch ausreichend war, begaben wir uns samt unserer nun doch erhaltenen Bordkarten und um vorerst gut 50kg leichter auf den Weg in Richtung Pizza-Hut…………

Um 12:10 mussten wir am Gate sein. Um diese Zeit begann, wenn die Maschine rechtzeitig startklar war, das Boarding. Vorher war die obligatorische Leibesvisitation noch angesagt. Allein schon durch meine Gürtelschnalle und meine Halskette reagierte natürlich der Metalldetektor sofort, was eine intensivere Untersuchung zur Folge hatte. Aber was hätte man bei mir schon finden sollen. Außerdem hatten wir beide ja außer jeder seine Fotokamera, den Wechselobjektiven und unseren Mobiltelefonen nichts mehr dabei. Es schien also alles OK.

Wir hatten, um Gepäck zu sparen, für den Flug schon unsere Wanderstiefel angezogen. Und Tobi hatte leider das Pech, dass er angewiesen wurde, seine Schuhe zur Kontrolle auszuziehen. Nun hatte es aber an diesem Tag wie schon erwähnt sehr hohe Temperaturen. Und wie sich dies trotz aller Hygiene auf Füße in hohen Wanderstiefeln auswirkt, bedarf wohl keiner weiteren Erklärung. Tobi hatte jedenfalls seine Stiefel schneller wieder an als er sie ausgezogen hatte. :-) „Sind wohl echte Wanderstiefel?“ hörte ich den Beamten nur noch fragen.

Froh, auch diese letzte Hürde genommen zu haben und im Niemandsland – scherzhaft nenne ich den Duty-Free-Bereich meist so – angekommen zu sein, begaben wir uns zu dem auf den Bordkarten ausgewiesenen Gate. An zusammen liegende Sitzplätze zum warten war, obwohl wir fast eine Stunde vorab da waren, natürlich nicht mehr zu denken. In verschiedenen Reihen auf je einem Platz hätten wir schon sitzen können, wollten wir aber nicht. Dann hätte jeder nur seinen Gedanken nachgehangen. Und so sind wir dann im Wartebereich auf und ab marschiert, um unsere innere Unruhe etwas abzubauen.
Da die einzelnen Gates nicht gegeneinander abgeschottet sind, hatten wir natürlich auch Zugang zu Bereichen, in welchen die Passagiere für andere Flüge schon warteten. Und ich schau mich so um und denke noch so bei mir „Das Mädel kennst du doch irgendwo her.“ als Sie mich auch schon entdeckt hatte. Sie schien aber auch nicht so richtig zu wissen, wo sie mich einzuordnen hatte. War es doch tatsächlich eine frühere Arbeitskollegin mit welcher ich vor etwa 8 Jahren zusammen tätig war. Sie war auf dem Weg nach Griechenland – ihrer Heimat. Wir sind noch ein wenig in´s Gespräch gekommen. Das meiste war allerdings nur belangloses Zeug. Hat sie dann doch noch den Tobi für meinen Sohn gehalten. Klar vom Alter her ist das ja auch gar nicht so abwegig. Und sie kannte zwar meine Jungs aber daran erinnern konnte Sie sich verständlicherweise nicht mehr.
Ich hatte ihr dann noch erzählt, auf welchem Weg wir uns befanden. Vollkommen unverständlich war ihr allerdings, dass ich nicht mit Familie unterwegs war. Nun gut – ich hatte aber auch nicht das geringste Bedürfnis, hier noch andere über meine derzeitige familiäre Situation aufzuklären. Das hätte mich selbst erst wieder in Missstimmung gebracht. Und dazu war mir die Zeit, welche wir für unseren Urlaub hatten, einfach zu kostbar. Ich wollte daran jetzt einfach nicht denken und dieses Thema während der kommenden drei Wochen so weit als irgend möglich verdrängen.

...nicht unsere Maschine...aber ein gigantisches Foto
Für die Genehmigung zur Veröffentlichung besten Dank an Herrn Grand.

Der Aufruf, dass sich alle Passagiere des Fluges nach Stockholm bitte am Gate einfinden möchten, ließ unser Gespräch dann einen ganz kurzfristigen Abschluss finden. Unsere Maschine war also bereit, die Passagiere aufzunehmen und das Boarding als solches ging dann auch relativ zügig und schon 20 Minuten später hätten wir wie Reinhard Mey singen können: „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein……….“ Fast wolkenloser Himmel und Plätze in Fensternähe bescherten uns einen Ausblick, der seinesgleichen sucht. Für uns beide war ja der Blick auf Mutter Erde aus dieser Höhe nichts Ungewöhnliches mehr. Aber auch ich kann mich nicht erinnern, jemals auf einem Flug derart gutes Wetter gehabt zu haben. Tja – wenn Engel reisen….. :-). Zur privaten Erinnerung an dieses Erlebnis haben wir natürlich unsere Kameras hier schon in Betrieb gehabt. Aus lizenzrechtlichen Gründen dürfen diese Fotos aber hier im Bericht nicht erscheinen. Schade.
Ansonsten verlief dieser Flug wie meine anderen vorher auch schon. Unspektakulär und ohne besondere Vorkommnisse. Sicherheitshinweise vom Bordpersonal, Snack-Angebot, Getränke, Hinweise auf den Bordshop, wo man doch angeblich soooo günstig einkaufen könne. Commerz von A-Z. Also wie gesagt - reichlich 2 Stunden Flug mit einer Boeing 737-700 in durchschnittlich 9000m Höhe über Würzburg, Hof, Berlin, Hamburg, Kopenhagen nach Stockholm, in denen wir es sogar geschafft haben, mal kurz abzunicken. Das ist in der Economie-Klasse auf Grund der doch recht engen Sitzpositionen meist nur schlecht möglich.

Flughafen Arlanda

Selbst bei der Landung in Arlanda hatte der Pilot noch mal alles gegeben. Ganz sauber aufgesetzt hat er den Riesenvogel. Das sind schon Künstler. Und ich hatte nicht den geringsten Druck auf den Ohren – eine Begleiterscheinung, mit welcher ich bei sonstigen Flügen eigentlich immer zu kämpfen hatte und wo mitunter noch bis zu zwei Tage nach dem Flug Probleme auftraten.
So nach und nach konnten wir dann die Maschine verlassen. Und nachdem wir im Terminal eingetroffen waren und ich die ersten Hinweise in schwedischer Schrift und Sprache wahrgenommen hatte, begann ich so langsam zu realisieren, wo ich mich hier eigentlich befand. Es war einer meiner größten Wünsche in Erfüllung gegangen. „Hey Tobi – Schweden.....“

die Schweden haben einen ausgeprägten Nationalstolz

Mehr zu sagen war mir in diesem Moment nicht möglich aber auch nicht notwendig. Tobi lachte nur zurück und wir beide verstanden uns sowieso ohne große Worte. Und wir wussten auch so, was dieser Moment für eine Bedeutung hatte. Tobi kannte das ja alles schon, von daher war er, obwohl Schweden ihm auch viel bedeutet, natürlich nicht so aufgewühlt wie ich. Zumindest machte er auf mich noch einen relativ ruhigen und gelassenen Eindruck.

Packen ist angesagt

Samstag, 28.06.2008

Packen war angesagt und wir trafen uns wie vereinbart um 13:00 Uhr in Stuttgart am Flughafen. Parkhaus 10 hatten wir uns ausgesucht, da Tobias sich am Flughafen nicht so gut auskannte und dieses Parkhaus am einfachsten zu finden war. Außerdem war es an diesem Tag doch recht heiß und wir hatten vermutet, dass jetzt, da immer noch Vorsaison in der Reisebranche war, in diesem Parkhaus wohl doch in einer der Etagen ein sonnengeschützter Platz zu finden sein sollte, auf welchem wir unser mitgebrachtes Equipment ausbreiten und in Ruhe unsere Rucksäcke packen konnten. Aber wir hatten nicht mit der ganzjährig andauernden Reiselust der Deutschen gerechnet. Das Parkhaus war fast voll belegt und letztlich mussten wir, da ein Ausweichen auf ein anderes Gebäude auf Grund der gekauften Parkkarten nicht mehr möglich war, doch mit einem „Platz an der Sonne“ auf dem Oberdeck vorlieb nehmen. Bei ca. 30°C in der prallen Sonne etwa 2 Stunden packen – da kommt Freude auf.

Wir hatten unsere PKW unmittelbar aneinander geparkt, zwei große, alte Decken auf dem Boden ausgebreitet und die zu verpackenden Sachen darauf ausgebreitet.

Unglaublich...

...aber das alles...

...sollte in unsere Rucksäcke passen...

„Das bekommen wir nie in diese beiden Rucksäcke. Niemals. Da müssen noch zwei Mann mitfliegen, wenn das alles mit soll….“ war meine erste Reaktion, als ich den Berg von Dingen vor uns liegen sah. „Das muss – egal wie.“ konterte Tobi. Dennoch schauten wir beide etwas irritiert über diese Mengen von Gegenständen. Ein fast gleichzeitiges Kratzen am Hinterkopf begleitete ein Aufeinandertreffen unserer etwas ratlosen Blicke und nach erster Sprachlosigkeit mussten wir dann lachen. „Ich rauch´ noch eine und dann gehen wir das Ding mal an.“ meinte Tobi und um noch eins oben drauf zu setzen gebe ich – wohl wissend, dass wir nur begrenzt Zeit haben zum packen - noch eine kleine Bemerkung von mir: „Der Check-In hat doch durchgehend offen falls wir das heute nicht mehr schaffen…..“. In aller Ruhe zündet sich Tobi seine Zigarette an.

Allerdings sollte ich Recht behalten mit meiner Aussage. Da hatte sich mein Wander-Experte wohl doch etwas verschätzt. Obwohl die beiden Rucksäcke ein Volumen von zusammen 160 Litern hatten, war es trotz mehrerer Versuche und verschiedener Packtechniken nicht möglich, alles zu verstauen. Wir mussten also Abstriche machen. Nur wo und an welchen Gegenständen? Noch erschien uns keine der Sachen verzichtbar. Etwas missgelaunt – was aber nicht lange anhielt – kam von Tobi die Bemerkung: „Geht halt weniger Wäsche mit. Pro Woche eine Unterhose muss reichen.“ Und lachend fügt er noch hinzu „Wir werden sowieso stinken wie die Böcke. Aber wen stört`s? Sind eh für uns alleine.“

Schlussendlich hatten wir dann nach mehreren Entscheidungs-Debatten doch eine Anzahl Gegenstände ausgesondert, auf welche wir notgedrungen verzichten mussten. In erster Linie handelte es sich dabei um Lebensmittel, Schuhe und Wäsche, welche wir wieder mit heim nahmen. Lebensmittel konnten wir in Schweden nach Bedarf kaufen. Aber Wäsche? Wir werden sehen, wie wir auskommen. Ändern können wir es jetzt eh nicht mehr. Andererseits wäre ein Verzicht auf andere Gegenstände wie warme Kleidung, Zelt oder andere gar nicht möglich gewesen. „Wie viel war das eigentlich an Gepäck, was wir frei mitnehmen dürfen?“ fragte Tobi so zwischendurch einmal leicht irritiert. „Nun lass dir mal keine grauen Haare wachsen. Sind 25kg pro Nase. Und die müssen wir erst mal zusammen bekommen.“ Hier sollte mir aber dann am Check-In bewusst werden, dass diesmal ich mich verschätzt hatte, was eigentlich 25 kg sind und wie schnell dieses Limit erreicht und überschritten ist.

geschafft...

Wir haben es dann doch innerhalb des selbst gesetzten zeitlichen Limits von etwa 3 Stunden geschafft, fertig zu packen und es nahte der Moment, an welchem ich mir erstmalig den wirklich vollen Rucksack aufschnallte. Ich war ja durch meine weiter oben geschilderte Wanderung zum Aileswasensee schon etwas von einem schweren Rucksack gewöhnt. Aber was ich da jetzt auf meinen Schultern hatte, war doch noch etwas mehr. Im ersten Moment schnappte ich nach Luft und es kamen mir kurze Zweifel, ob ich dieses Monstrum wirklich 3 Wochen quer durch Südschweden schleppen wollte. Aber ein zurück gab es jetzt nicht mehr. „Da musst du jetzt durch.“ hörte ich nur so aus dem Hintergrund und als ich mich umdrehte, sah ich Tobi schmunzelnd hinter mir stehen. „Was schätzt du, was der an Gewicht hat?“ Ich hatte nicht die geringste Ahnung. Aber 25 kg waren das nach meinem Gefühl nicht nur. Da war mehr drin. „Wir werden ja gleich sehen, was er hat, wenn wir zum Check-In gehen.“ Diese Bemerkung von mir war auch gleichzeitig das Signal, uns mit den Rucksäcken auf dem Rücken zum für uns zuständigen Terminal zu begeben.

auf dem Weg vom Parkhaus...

...zum Terminal

Noch kurz die Autos verschlossen und ab ging es. Als wir am Aufzug ankamen, bemerkte ich nur noch, dass ich die Flugunterlagen, welche ich während des Aufschnallens des Rucksacks auf dem Autodach abgelegt hatte, in der Aufregung dort habe liegen lassen. Also noch mal zurück, die Sachen geholt und dann stehen wir etwa 10 Minuten später in der Warteschlange im Terminal 3 um unseren Chek-In durchzuführen und die Rucksäcke schon abzugeben. Etwa 20 Minuten stehen wir so in der Reihe. Eine drückende Schwüle in der Abfertigungshalle macht dieses Warten nicht grade angenehmer.



„Für den Flug morgen nach Stockholm gibt’s aber keinen Vortag-Check-In“. Mit dieser lustlosen Bemerkung lässt uns dann die Mitarbeiterin am Schalter abblitzen, nachdem wir unsere Flugunterlagen und Personalausweise zur Kontrolle vorgelegt hatten. So langsam kocht´s in mir und ich bin echt am überlegen, ob ich explodieren oder doch lieber ruhig bleiben soll. Klar – letztlich ist es unsere eigene Schuld. Weder Tobias noch mir war beim Studium der Flugbedingungen aufgefallen, dass für Flüge, welche nach 12:00 Uhr gehen, kein Vorabend-Check-In vorgesehen ist. Und unser Flug geht morgen 12:40. Genau diese beiden Tatsachen bestätigt uns die Mitarbeiterin in barschem Ton. Es ist ja weniger der Fehlversuch, welcher mich jetzt nervt als mehr die Art und Weise, wie man uns das sagt. „Sie können ja da vorn am Schalter mal fragen, ob dieser Mitarbeiter ne Möglichkeit sieht und eine Ausnahme macht.“ Sie verweist uns an den ersten Schalter in dieser Reihe. Sprach´s und wendet sich dem nächsten Kunden zu ohne uns noch weiter zu beachten. Also begeben wir uns in der Hoffnung, unser Vorhaben doch noch realisieren zu können, an diesen Schalter.

„Hier ist aber geschlossen. Sie werden hier nicht abgefertigt….“ Leckt mich doch alle mal am A… denke ich noch so bei mir, bringe aber dann doch noch meine Bitte um Hilfe zum Ausdruck. „Wir können da leider keine Ausnahmen machen. Ich bitte Sie, morgen zeitig genug da zu sein und einzuchecken.“ Na das ist doch wenigstens mal eine Antwort, die auf kundenfreundliches Benehmen schließen lässt. Wenn diese Antwort uns auch nicht zufrieden stellt und unser Problem nicht löst, müssen wir dennoch unverrichteter Dinge wieder abziehen. Wir trotten also zurück ins Parkhaus, laden unsere Rucksäcke ins Auto und verabreden uns dann noch für den nächsten Tag um 10:30 am Terminal 3. Wir wollen uns einfach genügend Zeit geben. Man kann nie wissen, wie intensiv wir bei den derzeitig gültigen scharfen Sicherheitsbestimmungen kontrolliert werden. Und wir können kein Risiko eingehen. Leicht angesäuert bezahlen wir noch jeder die nicht niedrigen Parkgebühren und auf der B27 am Echterdinger Ei trennen sich dann für heute unsere Wege. Tobi fährt noch Richtung Stuttgart, hat da noch was zu erledigen und ich biege ab Richtung Esslingen……..

Der Countdown läuft

Donnerstag, 19.06.2008

Seit langem schon habe ich auf meinem PC diesen Counter mitlaufen, welcher mir sekundengenau anzeigt, wie viel Zeit noch bleibt bis zu unserem Abflug nach Stockholm. Betitelt habe ich diesen „_Fly_Away_To_Arlanda_“ und die Ablaufzeit auf 29.06.2008 12:40 gesetzt. Ein wenig verrückt ist ja wohl jeder.

Damit habe ich die Zeit rückwärts laufen lassen :-)

Noch nie habe ich einen Urlaub so herbei gesehnt wie diesen und mit Freunden, Bekannten und Kollegen der Art oft über eine Reise und deren Vorbereitungen gesprochen. Selbst in der Kundschaft war nun teilweise bekannt, was wir beide vorhatten. Die Meinungen darüber gingen auch hier weit auseinander, reichten praktisch von hilfreichen Ratschlägen über Wünsche für gutes Gelingen bis hin zu totalem Unverständnis und Ablehnung. Mit Ausnahme einer Erkrankung oder ähnlichem hätte uns aber jetzt nichts mehr von unserem Vorhaben abhalten oder abbringen können.
In der Mittagspause kam Tobi heute noch einmal in Sachen Verpflegung auf mich zu. „Ich werd´ mal doch noch Trockenfutter versorgen, was wir zumindest für die ersten Tage mit on Tour nehmen können.“ Erst war mir nicht richtig klar, was er damit meinte. Also habe ich mich, da ich wusste, dass er einen Großteil der Ausrüstung über Globetrotter bestellt, auf diese WEB-Seite begeben und mir mal das Angebot an Lebensmitteln angeschaut, welche für die Outdoor-Küche angeboten werden. Die Auswahl ist nicht zu verachten, reicht von einfachen Müsliriegeln über Gewürze und Getränke, Brot in Dosen bis hin zu gefriergetrockneten Suppen, einzelnen Fleischkomponenten und kompletten Fertiggerichten. Vorgefertigte Bratkartoffeln, Rührei in Pulverform, Goulasch usw. ist alles zu haben. Natürlich hat das auch alles seinen Preis. Aber wir hätten sowieso niemals die komplette Verpflegung damit abgedeckt. Wäre rein vom Gewicht her schon unmöglich gewesen. Es sollte also tatsächlich nur eine Erstversorgung bzw. eine Notfall-Ration besorgt werden, welche uns für den Fall der Fälle für ein bis zwei Tage die Ernährung minimal absichern sollte. Ich habe Tobi dann die Qual der Wahl überlassen. „Ich bin nicht wählerisch, was das Essen betrifft und die Sachen hören sich alle recht gut an. Ob´s auch so schmeckt, muss man sehen. Nur verschon’ mich bitte mit Joghurt oder Süßspeisen in Pulverform. Die esse lieber frisch und verzichte hier gerne drauf.“ Ich weiß, dass Tobi gerne mal so Sachen wie Grießbrei oder Mousse au Chocolate isst. Das konnte ich mir aber beim besten Willen nicht vorstellen, mir z.B. einen Joghurt aus Pulver und mit Wasser selber anzurühren. Obwohl – probieren sollte man eigentlich alles mal.


Sonntag, 22.06.2008

Meine Güte – wie schnell war die Zeit weg von der ersten Ansprache eines gemeinsamen Urlaubs bis heute. Die gesamte Planung und Vorbereitung hat ein reichliches halbes Jahr in Anspruch genommen. Sicher hätte man das ganze auch in kürzerer Zeit erledigen können. Abgesehen von dem günstigen Flugpreis, den wir durch das zeitige Buchen erhalten haben, wollten wir uns aber auch bewusst Zeit lassen und uns nicht unter Druck setzen. Mehrfach sind wir in der letzten Zeit unsere Checklisten gemeinsam durchgegangen. So können wir uns einigermaßen sicher sein, zumindest nichts Wichtiges vergessen zu haben. Ob es tatsächlich an dem ist, wird sich in knapp einer Woche erweißen. Dann wird gepackt. Ich werde noch drei Tage dieser kommenden Woche im Außendienst tätig sein. Da komme ich wenigstens gar nicht so sehr zum Nachdenken und zum zählen der Hummeln, die wir in der Zwischenzeit beide im Hintern haben. :-) Am Samstag, 28.06.2008 werden wir uns treffen und gemeinsam die Rucksäcke packen. Diese Verfahrensweise macht sich einfach so notwendig, da doch jeder einen unterschiedlichen Anteil der Ausrüstung beisteuert und somit die Gewichtsverteilung auf beide Rucksäcke besser ausgeglichen werden kann. Gleichzeitig haben wir aber auch noch einmal die Möglichkeit, den Bestand an Ausrüstung zu prüfen. Anschließend werden wir gleich zum Check-In gehen und die Rucksäcke aufgeben. Somit entfällt schon ein Teil Stress am Reisetag.

Freitag, 27.06.2008

In der Mittagspause fuhren wir beide in Leonberg – wie so manches Mal in der Vorbereitungsphase zu unserer Tour – noch einmal gemeinsam in eine Pizzeria. Wir wollten noch ein letztes Mal den Ablaufplan der ersten Tage (packen, Check-In, Flug, Ankunft in Schweden) durchgehen. Und dazu war einfach Ruhe notwendig und wir wollten die Kollegen nicht bei uns haben und ungestört sein, zumal in letzter Zeit auch wieder vermehrt Fragen von den Kollegen aufkamen.
Im Laufe dieses Gesprächs wurden wir uns einig, dass wir die erste Nacht in Stockholm verbringen wollten. Zum einen hatten wir vor, auf unsere Ankunft und die gut gelaufenen Vorbereitungen uns ein (oder vielleicht auch zwei, drei, vier :-) ) Bier zu gönnen. Zum anderen war ja der 29.06.2008 auch der Tag des Finalspieles der Fußball-EM. Ich selbst bin ja kein Fußballfan aber Tobias wollte sich dieses Spiel nicht entgehen lassen. Und so beschlossen wir, uns ein Zimmer in einer Jugendherberge oder einem günstigen Hotel zu buchen, wo wir die Möglichkeit hatten, ein Fernsehgerät zu nutzen. Auf vielen Internetseiten werden diese Unterkünfte (Bed-and-Breakfast oder auch Vandrarhem, wie sie in Schweden genannt werden) in Mengen angeboten, wir mussten allerdings damit rechnen, dass wir gegebenenfalls mit mehreren anderen Personen in einem Mehrbettzimmer übernachten mussten, was uns aber für eine Nacht durchaus akzeptabel erschien. Allein die Kosten waren entscheidend. „Dann werde ich mal heute Abend schauen, dass ich noch eine Bleibe für uns organisiere. Wo woll´n wir denn unser preisliches Limit setzen?“ Mit dieser Frage wollte ich Tobi ganz einfach entscheiden lassen. Mir war zu diesem Zeitpunkt wohl klar, dass er keine hohen Ansprüche stellt, was die Ausstattung der Zimmer betrifft. Wie sein finanzieller Rahmen allerdings aussah, war mir nicht bekannt. „Du bist Finanzminister…“ gab er mir schmunzelnd den Ball zurück und so setzte ich mal etwas fragend einen Betrag von 30 Euro pro Person als Basis zur Diskussion ein. „Ist OK. Pass aber trotzdem auf, dass wir möglichst in Zentrum-Nähe unterkommen. Dann müssen wir unsere Rucksäcke nicht erst großartig durch die Stadt schleppen und haben´s am Montag morgen auch nicht so weit zum Bahnhof.“ „Man – wir sind noch nicht mal in Schweden und da machst du schon schlapp. Wirst deinen Rucksack noch ganz andere Strecken schleppen müssen….. Ich werd´ das Kind schon schaukeln.“ - gebe ich lachend zurück.
Tatsächlich war es aber dann doch nicht ganz so einfach, etwas Passendes zu finden. Es hatte wohl genügend freie Angebote, aber fast alle zu teuer oder zu weit weg vom Bahnhof. Eine ganze Zeit habe ich suchen müssen, um eine Unterkunft zu finden, welche unseren Vorstellungen weitestgehend entsprach.



Noch ne kurze SMS rausgeschickt und auch der Vorgang war erledigt.

„Hi Tobi, Cityhotel Centralstation in Stockholm ist auf 17:00 Uhr am Sonntag gebucht. Etwa 60 Euro zusammen (DZ mit Stockbett)“.

Tobi darauf zurück: „Jepp – ist ok. Top – so langsam wird’s richtig gut. Ich werd nervös.“

Ich kann mir in diesem Moment ein Lachen nicht mehr verkneifen……….

Training, Training, Training

In Vorbereitung auf unsere „Big Tour“ habe ich natürlich einige Wanderungen in der näheren Umgebung des Wohnortes unternommen, von denn eine mit in dieses Reisetagebuch einfließen soll:

31.05.2008 Wanderung zum Aileswasensee

Nachdem ein geplanter, dienstlicher Wochenendeinsatz kurzfristig abgesagt worden war und ich daher diese Tage sowieso hätte allein verbringen müssen, da Eric mit dem Blasmusik-Orchester auf einem Probenwochenende unterwegs war, habe ich ganz einfach den Entschluss gefasst, das erste mal überhaupt mit voller Ausrüstung – also auch Schlafsack, ISO-Matte usw. auf Wanderschaft zu gehen.
Dazu hatte ich mir im Internet ein Ziel gewählt. Einzige Bedingungen: An einem See sollte sich dieses Ziel befinden und es sollte in einer Entfernung von 20-25 km liegen. Also in etwa einer Distanz, welche wir für unsere Trekkingtour als tägliche Strecke abgesteckt hatten.
In diesem Zusammenhang bin ich dann auf eine Web-Seite gestoßen, auf welcher in mühevoller Kleinarbeit viele Seen Deutschlands mit Lagebeschreibung, Anfahrts- oder Wanderwegen, Bademöglichkeiten, gastronomischer Versorgung usw. katalogisiert worden sind. Diese Seite ist echt eine Bereicherung und ich werde mich möglicherweise dort noch öfter informieren.

Meine Wahl fiel dann auf den Aileswasensee, einem kleinen See in Ortsrandlage von Neckartailfingen. Die Entfernung entsprach mit etwas mehr als 20 km genau meinen Vorstellungen. Gegen 12:00 Uhr zu Mittag bei strahlendem Sonnenschein führte mich meine Tour über Denkendorf, Neuhausen, Wolfschlugen und Grötzingen nach Neckartailfingen. 16:30 hatte ich dann mein Ziel erreicht. 4½ Stunden inklusive einer ½ Stunde Pause in Neuhausen – also etwa auf halber Strecke – ergeben eine Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa 5 km / Stunde. Guter Schnitt also, dennoch bin ich erst mal über mich selber etwas erschrocken. Mir war nicht bewusst, dass ich mir selbst ein solches Marschtempo vorgegeben hatte.

Meine erste Handlung nach Ankunft am See war natürlich, bei den verantwortlichen Mitarbeitern vorzusprechen. Dieses wäre nicht notwendig gewesen, wenn ich dort nur hätte Rast machen oder baden wollen. Da ich aber vorhatte, da am See oder in dessen Nähe zu nächtigen, erschien es mir schon wichtig, den „Instanzenweg“ einzuhalten. Keinesfalls wollte ich in Schwierigkeiten geraten oder Unstimmigkeiten hervorrufen, durch dass ich unerlaubt irgendwo mein Lager gerichtet hätte und gegebenenfalls dann durch Kontrollen bei der Obrigkeit in Ungnade gefallen wäre. Deutsche Bürokratie halt……….
Wenn ich aber geahnt hätte, welche Schwierigkeiten sich da auftun, weil keiner der anwesenden – weder der Betreiber des örtlichen Sportvereins-Heimes noch Platzwart und Kioskbetreiber oder verantwortliche DLRG-Mitglieder sich befähigt sahen, mir einen Schlafplatz zuzuweisen, ich hätte diesen Versuch der Kontaktaufnahme niemals unternommen und wäre lieber das Risiko eingegangen, bei Nacht mein Lager schnell abzubrechen und an anderer Stelle wieder zu errichten. Einen solchen geballten Ansturm von Bürokratismus habe ich selten erlebt.
Und so habe ich denn meinen Rucksack wieder aufgeschnallt und bin am See ein Stück weiter gezogen. Das sich in weiterer Entfernung befindende Waldgrundstück schien mir geeignet, mein Nachtlager zu errichten. Und das wurde dann auch gleich in die Tat umgesetzt, da ich hundemüde war und eigentlich nichts stärker herbei sehnte als die Ruhe und meinen Schlaf. Selbst der Hunger meldete sich zu diesem Zeitpunkt nicht, obwohl ich auf Grund der langen Strecke eigentlich hungrig wie ein Wolf hätte sein müssen. Was ich allerdings nicht geahnt hatte, war die Tatsache, dass an dieser Stelle im Wald an Schlaf so gut wie nicht zu denken war. Grund waren eine größere Anzahl Stechmücken, welche sich meines Körpers annahmen. Alle Abwehrversuche waren erfolglos und obwohl ich auf Grund dessen sogar für diese eine Nacht ein stärkeres Schwitzen in Kauf genommen hätte, half selbst das Zuziehen des Schlafsackes recht wenig, Auch am Gesicht hatten diese Biester immer noch genügend Angriffsfläche. Und ich hatte für diese Tour an vieles gedacht, nur ein geeignetes Mückenschutzmittel hatte ich vollkommen vergessen. Es blieb mir also letztlich nichts anderes, als mir um etwa 22:30 Uhr meine Niederlage gegenüber dieser Übermacht einzugestehen und meinen Platz zu räumen. Nur gut, dass ich meine Stirnlampe dabei hatte. So habe ich wenigstens bei einigermaßen guter Beleuchtung packen können. Was mir in diesem Zusammenhang auch erst im Nachhinein eingefallen ist, ist die Möglichkeit, dass es in diesem Grundstück neben der Mückenplage ja durchaus auch größeres Getier hätte geben können. Beispielsweise hatten wir ja grade Frischling-Zeit. Was wäre also gewesen, wenn ich urplötzlich einer Bache gegenübergestanden hätte? Ich mag diesen Gedanke gar nicht zu ende denken. Vielleicht hatte das Ganze sogar etwas gutes, dass mich die Mückenplage von diesem Ort vertrieben hat.

Wo aber jetzt einen anderen geeigneten Schlafplatz finden? Den Weg zurück zum See hatte ich noch im Gedächtnis und so konnte ich die etwa 2 km selbst bei fast vollkommener Dunkelheit – durch die Stirnlampe nur die jeweils vor mir liegenden etwa 10m relativ gut ausgeleuchtet - unbeschadet zurücklegen. Dort angekommen fiel mir auf, dass in unmittelbarer Ufernähe mehrere Zelte errichtet waren und auch nur einzelne Schlafsäcke lagen, in welchen ganz offensichtlich übernachtet wurde - trotz der eindeutigen Hinweis- und Warnschilder, welche mehrfach um den kleinen See herum aufgestellt waren und auf welchen eindeutig darauf hingewiesen wurde, dass Zelten, Camping, Nächtigen usw. in diesem Gebiet verboten war. Aber selbst eine Patrouille eines Security-Dienstes, welche um diese Zeit ihren Rundgang absolvierte, schien dies nicht im Geringsten zu interessieren. Wozu hatte ich eigentlich bei meiner Ankunft einen derartigen, erfolglosen Aufwand betrieben? Für mich war spätestens in diesem Moment klar, dass ich nun ohne jegliche Rücksicht an einer mir passenden Stelle meinen Schlafsack ausbreiten und mich zur Ruhe legen würde.

Aber auch das war gar nicht so einfach wie gedacht. Ich wollte vermeiden, dass ich morgens – sollte ich wider erwarten doch etwas länger schlafen – von den ersten am See eintreffenden Badegästen irgendwo am Wegesrand gefunden wurde. Wie ein Wohnungsloser wollte ich denn doch nicht erscheinen. Also blieb nichts anderes, als wieder weiter zu ziehen und zu suchen. Eine Wiesenfläche, etwas verdeckt durch üppigen Heckenbewuchs und als Begrenzungsfläche einer zu der Zeit nicht genutzten Parkfläche für PKW erschien mir als das geeignete Nachtlager. Inzwischen war es auch schon 00:30 Uhr und mein Körper verlangte nach seinem Schlaf. Der Himmel war zu dieser Zeit sternenklar und es war also auch nicht zu befürchten, dass ich nachts von einem Regenschauer überrascht werden würde. Dennoch hatte ich darauf geachtet, dass eine geeignete Unterstellmöglichkeit sich in unmittelbarer Nähe befand. ISO-Matte und Schlafsack waren schnell hergerichtet, Stiefel ausgezogen und so wie ich war, verkroch ich mich in meinem Schlafsack. Mir war egal, ob ich schwitzen würde oder nicht. Ich wollte nur noch eines – schlafen. Noch ein paar Mal bin ich leicht aufgeschreckt, da wider erwarten selbst um diese Zeit PKW auf diesen Parkplatz auffuhren, deren Fahrer mich aber auf Grund der versteckten Lage hinter der Hecke nicht sehen konnten. Ich habe die Fahrzeuge aber am Lichtkegel der Scheinwerfer wahrgenommen. Es konnte gut sein, dass es sich bei diesen um Fahrzeuge eines Wachdienstes handelte. Letztlich interessierte mich das aber nicht mehr. Es dauerte nicht mehr lang und der Schlaf überkam mich…….

So gegen 05:00 Uhr am Sonntagmorgen erwachte ich dann und musste mich erst einmal orientieren, wo ich mich des Nachts eigentlich niedergelassen hatte. Ich war der festen Überzeugung, hinter meiner Hecke von niemandem gesehen zu werden, dennoch sah ich mich, nachdem ich mich auf die andere Seite gedreht hatte, plötzlich einem PKW gegenüber liegen. Ich hatte mich also, ohne das noch bewusst wahrzunehmen, nur auf die andere, gegenüber liegende, durch die Hecke verdeckte Parkfläche gelegt. Ob mich da jetzt doch jemand, insbesondere der Fahrer des geparkten PKW, wahrgenommen hatte, kann ich nicht sagen. Das war mir zu diesem Zeitpunkt aber dann auch vollkommen gleichgültig. Ich hatte recht gut geschlafen. Nur das war wichtig.
Nach einem ganz kurzen Bad im doch noch recht kalten See und einem kleinen Frühstück aus meinem Reiseproviant habe ich mir dann meinen Rucksack wieder aufgeschnallt und bin Richtung Heimat getrottet. Auf diesem Rückweg hatte ich aber auch das erste Mal Zweifel, ob ich dieses Ungetüm von Rucksack jetzt wirklich wieder heim schleppe oder mir doch lieber den Bus nehme und zumindest einen Teil der Strecke fahre. Ich habe mich dann doch für das Schleppen entschieden. Durchhalten war angesagt. Schließlich werde ich mich auf unsrer Tour auch nicht zurückziehen können. Dort muss ich….. Also muss ich auch hier…….. In sengender Hitze, mit zur Neige gehendem Getränkevorrat, Schmerzen im Rücken und den Füßen komme ich dann so gegen 12:30 Uhr wieder daheim an. Was tue ich mir eigentlich in dem Alter noch an? Und warum? Sofort aber ist mir Schweden wieder im Kopf und die Frage beantwortet sich von ganz allein. Zumindest habe ich mal einen kleinen Einblick bekommen, was mich auf dieser Schweden-Tour so erwartet. Ein Zuckerlecken wird das bestimmt nicht. Mit Sicherheit wird es anstrengend aber dennoch schön.