Sonntag, 3. August 2008

Na dann guten Flug

Es ist jetzt endlich Sonntag, 29.06.2008. Wie lange haben wir beide uns auf diesen Tag gefreut. Geschlafen habe ich fast nicht. Und wie sich später herausstellte, ging es meinem Wanderkameraden nicht anders. Auch er hatte fast kein Auge zu getan. Bärbel hatte mich noch zum Flughafen gebracht und Tobias wurde von seinem Vater kutschiert.

Um 10:30 trafen wir uns jedenfalls wie vereinbart am Terminal 3 des Flughafens Stuttgart. Eine ganz kurze Suchaktion per Handy war allerdings noch notwendig, da wir uns in dieser Menschenmenge doch leicht verfehlt hatten.
„Wie geh´n wir´s an?“ Nach kurzem Begrüßungsritual stellten wir fast gleichzeitig diese Frage in den Raum. „Ich würde sagen, wir gehen gleich erst zum Check-In. Wir wissen nicht, wie langwierig die Sache sich gestaltet durch unsere Rucksäcke. Die gelten bestimmt als Sperrgepäck.“ Tobi: „OK. Dann ist das wenigstens erledigt und wenn noch Zeit sein sollte, geh´n wir halt noch was essen oder so.“ Gesagt und getan. Wir stellten uns also wie am Vortag nochmals am Schalter an. Nur ein Schalter offen und vor uns vielleicht an die 20 Fluggäste. Ich merke schon wieder, wie ich anfange zu schwitzen. Und das ist bestimmt nicht nur der hohen Temperatur in den Abfertigungshallen geschuldet. Ich will hier einfach nur raus! Mir stinkt die Warterei und Tobi geht´s nicht anders. Es vergehen allerdings kaum fünf Minuten und es wird der nebenan liegende Schalter mit geöffnet. Gleichmäßig verteilen sich nun die wartenden Fluggäste an beide Schalter und es geht relativ zügig voran.

Vorn angekommen registriere ich erst mal mit Genugtuung, dass nicht die extrem freundliche Dame vom Vortag im Office sitzt. In diesem Fall hätte ich sogar nochmals Wartezeit in Kauf genommen, um an einem anderen Schalter bedient zu werden. So aber ging alles reibungslos voran. Oder besser – fast reibungslos. Denn eine Nuss hatten wir ja noch zu knacken. Nachdem Ausweise und Flugbuchungen kontrolliert und für gut befunden worden waren und die Bordkarten gedruckt waren, ging es ans Wiegen des Gepäcks. Uns war von vornherein klar, dass wir über der Vorgabe von 25kg je Passagier lagen, hatten aber insgeheim gehofft, dass, da wir ja gemeinsam reisten, die Gesamtmenge berechnet und somit ein etwas geringeres Übergepäck in Rechnung gestellt werden würde. Aber da hatten wir, wie man so schön schlau sagt, die Rechnung ohne den Wirt oder besser ohne die Mitarbeiterin im Office gemacht. Fein nach Vorschrift wurde jedes Gepäckstück einzeln gewogen. Als ich meinen Rucksack auf der Waage hatte, schaute ich erst mal etwas erschrocken zu Tobi. Dessen Blick versprühte auch nicht grade Begeisterung. „27 kg – hätte ich echt nicht gedacht, das es doch so viel sind.“ „Na wart´s mal ab, bis ich meinen auf der Waage habe. Das sind nicht viel weniger.“ meinte er schon etwas verunsichert. Und er sollte Recht behalten. Stolze 25 kg waren es auch bei ihm. Schlappe 28,- EUR sind wir hier schon los geworden. Aber was soll´s, wir hätten auf nicht ein Stück mehr im Rucksack verzichten können. Also ab zur Kasse. Bevor der geforderte Betrag nicht gezahlt ist, können wir unsere Bordkarten nicht erhalten. Und ohne diese kein Flug – so ist das nun mal.
„Geben Sie dann bitte ihre Rucksäcke am Sperrgepäckschalter ab. Sie wissen, wo der ist?“ Die nette Dame im Office hätte uns noch erklärt, wo wir hin müssen. Durch mehrfache Flüge von Stuttgart aus wusste ich aber, wo wir diesen Schalter finden würden und lehnte daraufhin die Hilfestellung dankend ab.
Besser wäre aber mit Sicherheit gewesen, ich hätte es mir noch mal erklären lassen. Denn die Betonung liegt hier wirklich auf „wusste“. Ich wusste – gar nichts. Hatte nämlich nicht bedacht, dass sich insbesondere Terminal 3 seit längerer Zeit im Umbau befindet. Manches war halt dadurch nicht mehr so wie es vorher war. Und damit gab es auch den Weg zum gewünschten Sperrgepäckschalter nicht mehr. Aber ich hatte zumindest die Richtung noch etwa im Kopf und wir mussten nicht lange suchen.
Dieser Check-Point unterscheidet sich im Wesentlichen nur durch die Größe der Kontrollgeräte, welche eben auf das Röntgen von Sperrgepäck dimensioniert sind. Ansonsten ist das Prozedere das gleiche wie an den normalen Gepäckschaltern.
Den ersten Rucksack (meinen) also auf´s Band gewuchtet und ab ging die Tour in die Durchleuchtung. Den hochamtlichen Blick des Zollbeamten werde ich so schnell nicht vergessen, als er am Transportband den Rückwärtsgang einlegte, mein Rucksack plötzlich wieder vor mir lag und er uns eröffnete, was wir beide sowieso schon wussten und was eigentlich vorab auch schon unsere größten Bedenken auslöste. Der Benzin-Campingkocher! „Sie haben einen Campingkocher im Rucksack? Den hätte ich mir gerne näher angesehen.“ Freundlich war er ja, das muss man ihm lassen. Dennoch – ich hätte ihn lynchen können. Weis der eigentlich, wie viel Aufwand es war, die Rucksäcke so zu packen, dass alles am richtigen Platz war und alles stimmte? Und jetzt sollte ich diesen Rucksack wieder auspacken, nur dass er sich unseren Campingkocher ansehen konnte. Aber es hätte nichts geholfen. Er hatte den längeren Arm und die Sicherheitsbestimmungen an Flughäfen sind extrem streng. Und wenn wir dieser Aufforderung nicht nachgekommen wären – was hätte es uns gebracht. Also widerwillig den Rucksack wieder geöffnet und den Kocher ausgepackt. Nervös wie ich war brachte ich natürlich weder die Verschnürung des Rucksackes noch die Hülle des Kochers gleich auf. Tobi meinte nur noch: „Bleib doch ruhig….“ Das war aber leichter gesagt als getan. Ich hasse solche Situationen.
Eingehend wurde das Gerät inspiziert und ein leichter Benzingeruch lag in der Luft, als der Tank des Kochers geöffnet wurde. Nach intensivem drehen und schütteln des Kochers hatte es aber auch der Zollbeamte begriffen, dass der Tank leer war.
„Sie haben aber auch noch Gaskartuschen im Gepäck. Die sind sowohl im aufgegebenen Gepäck als auch im Handgepäck verboten.“ „Das sind Konservendosen, was Sie da auf dem Röntgenbild gesehen haben“ versuchte ich ihm zu erklären. Ich wusste ja, dass es sich hier nur um die drei 400g-Dosen Sachsen-Flecke handeln konnte, welche im Röntgenbild sichtbar wurden. „Das ist ein Benzinkocher. Da gibt es keine Gaskartuschen.“ Tobi versuchte dies dem Beamten klar zu machen, während ich schon dabei war, das untere Fach des Rucksackes zu öffnen und eine der Dosen auszupacken. „Sie wissen doch, dass Sie keine Gaskartuschen transportieren dürfen.“ Ich schaute mich kurz um zu Tobi und musste mir auf Grund der schwerfälligen Denke des Beamten das Lachen verkneifen. Tobis Gesichtsausdruck ließ allerdings keinen Zweifel offen, dass eines jetzt gleich explodieren würde. Entweder der Benzinkocher oder er.
Nachdem nun der Kollege vom Band die Konservendosen auch als solche identifiziert hatte, war dann wieder packen angesagt und unsere Rucksäcke verschwanden vorerst im nichts. „Ich hoffe nur, dass die auch dort ankommen, wo wir in gut drei Stunden sind.“ „Da hab´ ich nach diesem Erlebnis so meine Zweifel.“ entgegnete ich ihm. Da wir beide morgens noch nichts gegessen hatten und die Zeit bis zum Flug noch ausreichend war, begaben wir uns samt unserer nun doch erhaltenen Bordkarten und um vorerst gut 50kg leichter auf den Weg in Richtung Pizza-Hut…………

Um 12:10 mussten wir am Gate sein. Um diese Zeit begann, wenn die Maschine rechtzeitig startklar war, das Boarding. Vorher war die obligatorische Leibesvisitation noch angesagt. Allein schon durch meine Gürtelschnalle und meine Halskette reagierte natürlich der Metalldetektor sofort, was eine intensivere Untersuchung zur Folge hatte. Aber was hätte man bei mir schon finden sollen. Außerdem hatten wir beide ja außer jeder seine Fotokamera, den Wechselobjektiven und unseren Mobiltelefonen nichts mehr dabei. Es schien also alles OK.

Wir hatten, um Gepäck zu sparen, für den Flug schon unsere Wanderstiefel angezogen. Und Tobi hatte leider das Pech, dass er angewiesen wurde, seine Schuhe zur Kontrolle auszuziehen. Nun hatte es aber an diesem Tag wie schon erwähnt sehr hohe Temperaturen. Und wie sich dies trotz aller Hygiene auf Füße in hohen Wanderstiefeln auswirkt, bedarf wohl keiner weiteren Erklärung. Tobi hatte jedenfalls seine Stiefel schneller wieder an als er sie ausgezogen hatte. :-) „Sind wohl echte Wanderstiefel?“ hörte ich den Beamten nur noch fragen.

Froh, auch diese letzte Hürde genommen zu haben und im Niemandsland – scherzhaft nenne ich den Duty-Free-Bereich meist so – angekommen zu sein, begaben wir uns zu dem auf den Bordkarten ausgewiesenen Gate. An zusammen liegende Sitzplätze zum warten war, obwohl wir fast eine Stunde vorab da waren, natürlich nicht mehr zu denken. In verschiedenen Reihen auf je einem Platz hätten wir schon sitzen können, wollten wir aber nicht. Dann hätte jeder nur seinen Gedanken nachgehangen. Und so sind wir dann im Wartebereich auf und ab marschiert, um unsere innere Unruhe etwas abzubauen.
Da die einzelnen Gates nicht gegeneinander abgeschottet sind, hatten wir natürlich auch Zugang zu Bereichen, in welchen die Passagiere für andere Flüge schon warteten. Und ich schau mich so um und denke noch so bei mir „Das Mädel kennst du doch irgendwo her.“ als Sie mich auch schon entdeckt hatte. Sie schien aber auch nicht so richtig zu wissen, wo sie mich einzuordnen hatte. War es doch tatsächlich eine frühere Arbeitskollegin mit welcher ich vor etwa 8 Jahren zusammen tätig war. Sie war auf dem Weg nach Griechenland – ihrer Heimat. Wir sind noch ein wenig in´s Gespräch gekommen. Das meiste war allerdings nur belangloses Zeug. Hat sie dann doch noch den Tobi für meinen Sohn gehalten. Klar vom Alter her ist das ja auch gar nicht so abwegig. Und sie kannte zwar meine Jungs aber daran erinnern konnte Sie sich verständlicherweise nicht mehr.
Ich hatte ihr dann noch erzählt, auf welchem Weg wir uns befanden. Vollkommen unverständlich war ihr allerdings, dass ich nicht mit Familie unterwegs war. Nun gut – ich hatte aber auch nicht das geringste Bedürfnis, hier noch andere über meine derzeitige familiäre Situation aufzuklären. Das hätte mich selbst erst wieder in Missstimmung gebracht. Und dazu war mir die Zeit, welche wir für unseren Urlaub hatten, einfach zu kostbar. Ich wollte daran jetzt einfach nicht denken und dieses Thema während der kommenden drei Wochen so weit als irgend möglich verdrängen.

...nicht unsere Maschine...aber ein gigantisches Foto
Für die Genehmigung zur Veröffentlichung besten Dank an Herrn Grand.

Der Aufruf, dass sich alle Passagiere des Fluges nach Stockholm bitte am Gate einfinden möchten, ließ unser Gespräch dann einen ganz kurzfristigen Abschluss finden. Unsere Maschine war also bereit, die Passagiere aufzunehmen und das Boarding als solches ging dann auch relativ zügig und schon 20 Minuten später hätten wir wie Reinhard Mey singen können: „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein……….“ Fast wolkenloser Himmel und Plätze in Fensternähe bescherten uns einen Ausblick, der seinesgleichen sucht. Für uns beide war ja der Blick auf Mutter Erde aus dieser Höhe nichts Ungewöhnliches mehr. Aber auch ich kann mich nicht erinnern, jemals auf einem Flug derart gutes Wetter gehabt zu haben. Tja – wenn Engel reisen….. :-). Zur privaten Erinnerung an dieses Erlebnis haben wir natürlich unsere Kameras hier schon in Betrieb gehabt. Aus lizenzrechtlichen Gründen dürfen diese Fotos aber hier im Bericht nicht erscheinen. Schade.
Ansonsten verlief dieser Flug wie meine anderen vorher auch schon. Unspektakulär und ohne besondere Vorkommnisse. Sicherheitshinweise vom Bordpersonal, Snack-Angebot, Getränke, Hinweise auf den Bordshop, wo man doch angeblich soooo günstig einkaufen könne. Commerz von A-Z. Also wie gesagt - reichlich 2 Stunden Flug mit einer Boeing 737-700 in durchschnittlich 9000m Höhe über Würzburg, Hof, Berlin, Hamburg, Kopenhagen nach Stockholm, in denen wir es sogar geschafft haben, mal kurz abzunicken. Das ist in der Economie-Klasse auf Grund der doch recht engen Sitzpositionen meist nur schlecht möglich.

Flughafen Arlanda

Selbst bei der Landung in Arlanda hatte der Pilot noch mal alles gegeben. Ganz sauber aufgesetzt hat er den Riesenvogel. Das sind schon Künstler. Und ich hatte nicht den geringsten Druck auf den Ohren – eine Begleiterscheinung, mit welcher ich bei sonstigen Flügen eigentlich immer zu kämpfen hatte und wo mitunter noch bis zu zwei Tage nach dem Flug Probleme auftraten.
So nach und nach konnten wir dann die Maschine verlassen. Und nachdem wir im Terminal eingetroffen waren und ich die ersten Hinweise in schwedischer Schrift und Sprache wahrgenommen hatte, begann ich so langsam zu realisieren, wo ich mich hier eigentlich befand. Es war einer meiner größten Wünsche in Erfüllung gegangen. „Hey Tobi – Schweden.....“

die Schweden haben einen ausgeprägten Nationalstolz

Mehr zu sagen war mir in diesem Moment nicht möglich aber auch nicht notwendig. Tobi lachte nur zurück und wir beide verstanden uns sowieso ohne große Worte. Und wir wussten auch so, was dieser Moment für eine Bedeutung hatte. Tobi kannte das ja alles schon, von daher war er, obwohl Schweden ihm auch viel bedeutet, natürlich nicht so aufgewühlt wie ich. Zumindest machte er auf mich noch einen relativ ruhigen und gelassenen Eindruck.

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