Sonntag, 3. August 2008

Erste Berührungen mit dem Mythos Schweden

Soll derjenige, welcher diesen Bericht liest, von mir denken was er will - aber je mehr Zeit verging, desto mehr hatte ich das Gefühl, dass mir etwas fehlte, wenn Tobias nicht in der Firma war oder wir uns auf Grund dessen, dass ich viel unterwegs war, längere Zeit nicht sahen. Nicht, dass ich mich über das vom sozialen Umfeld geduldete Maß hinaus oder sogar körperlich zu ihm hingezogen fühlte. Nein - es war und ist einfach das Gefühl, in ihm einen Menschen gefunden zu haben, der mir in seinem Verständnis von Leben und in seiner Art, seinem Charakter, seinem ganzen Wesen fast beängstigend ähnlich ist.

Ich komme eigentlich mit allen meinen Kolleginnen und Kollegen - bis hinauf in die „Chef-Etage" - gut klar. Aber in dem Verhältnis zu ihm ist mehr, obwohl zu diesem Zeitpunkt die Häufigkeit der Kontakte zu ihm nach wie vor eher gering war. Tobias ist ein unglaublich sympathischer Kerl. Seine mit 22 Lebensjahren beachtliche Standfestigkeit im Leben, seine Ruhe und Gelassenheit, seine Art, unaufdringlich und korrekt mit anderen umzugehen tun einfach nur gut. Und diese Attribute und nicht zuletzt sein Wissen um die Materie Informatik, welche uns ja rein von Berufes wegen sowieso verbindet, faszinierten mich einfach. Es war mir zu diesem Zeitpunkt aber bei weitem noch nicht klar, wie sehr sich diese Gefühle zukünftig noch verstärken sollten.

„Na du Rabauke - wie war der Urlaub? Kannste jetzt wenigstens bissel schwedisch?" Mit diesen Worten begrüßte ich ihn, als er nach - ich weiß nicht mehr, wie vielen Tagen - seinen Dienst wieder antrat. „Geil - einfach super geil." Über das ganze Gesicht lachend und mit einer solchen Überzeugungskraft antwortete er, dass es jedem unmöglich gewesen wäre, auch nur im Geringsten an dieser Aussage zu zweifeln. „Und schwedisch brauchst du dort so gut wie gar nicht. Kommst grad in Südschweden mit deutsch und englisch fast überall durch." Und ohne dass ich ihm auch nur eine einzige konkrete Frage gestellt hätte, fing er mir zu erzählen an. Es geschah etwas, was ich mir zwar immer gewünscht hatte, zu dieser Tageszeit aber eigentlich gar nicht hätte brauchen können, da das Alltagsgeschäft schon wieder rief. Es entwickelte sich ein Dialog der schönsten Art zwischen uns. „So viel am Stück hat er ja noch nie erzählt" denke ich noch so bei mir. Aber der Kerl war einfach nicht zu bremsen und wenn ich ganz ehrlich bin - bei diesem Thema hatte ich auch nicht das geringste Bedürfnis, hier irgendetwas zu unterbrechen. Der Alltag rückte, ohne dass ich es wollte und richtig wahrnahm, momentan immer mehr in den Hintergrund.
Heute, da ich das niederschreibe, habe ich keine Ahnung mehr, wie lange wir so zusammen gesessen haben. Aber es muss doch länger gewesen sein und es muss ihm dabei wohl ähnlich ergangen sein. Irgendwann jedenfalls kamen wir zu dem Ergebnis, dass wir uns zu diesem Thema noch mal intensiver unterhalten müssten und er mir seine Fotos dieser Reise mitbringen würde. Ich kann mich bis heute des Eindrucks nicht wehren, dass auf Grund dieses Gesprächs sich unsere Art, miteinander umzugehen, irgendwie weiter ins positive geändert hat……

Schon einige Tage später, an einem Arbeitstag, der prinzipiell genau so unspektakulär begann und verlief, wie fast jeder Tag in der Firma seine Routine in sich birgt, nehme ich auf Grund eines Software-Problems wieder intensiveren Kontakt mit unserem Technik-Spezi auf. „Hey Du…" begrüßt er mich. Und mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht kramt er einen unscheinbaren Karton unter seinem Schreibtisch hervor. „…ich hab' da noch was für dich. Sind die Fotos von der letzten Reise. Sind aber unsortiert - kannst ja mal reinschauen. Vielleicht ist was Brauchbares für Dich dabei und sie gefallen Dir." „Na da schau her - hat er ja doch dran gedacht. Danke." antworte ich in aufgesetzter, vorgetäuschter Ruhe. In Wirklichkeit klopft mir das Herz bis zum Hals und ich versuche krampfhaft zu verbergen, was momentan tatsächlich in mir abgeht, kann es kaum erwarten, die Fotos in mich reinzuziehen. Wäre mir jetzt echt peinlich, wenn Tobias merkt, dass mich der Gedanke an diese Fotos schon wieder reichlich nervös macht. „Ich nehm' die mal mit und werd’ sie mir daheim in aller Ruhe anschauen. Bring' sie dann bei Gelegenheit zurück." „Ist OK. Lass dir Zeit. Momentan brauch ich die nicht. Aber bring sie trotzdem bitte vollständig wieder." In seiner bekannten, fast umwerfend coolen Art drückt er mir den Karton in die Hand. Was mach ich jetzt? Einfach Danke ist nicht. Dazu ist mir die „Ware" zu wertvoll. Aber mir fehlen in diesem Moment einfach die Worte. Mit welcher Lässigkeit überlässt er mir hier eigentlich seine Fotos? Fotos, welche wahrscheinlich nicht nur Urlaubserinnerungen schlechthin für ihn sind, sondern bestimmt auch rein privaten Inhalts sind, welcher bei Kollegen eigentlich gar nichts zu suchen hat. Da nach seiner Aussage die Fotos aber unsortiert waren, musste ich damit rechnen, auch auf derartige Aufnahmen zu stoßen. So richtig wohl war mir bei diesem Gedanken nicht. Ist schon bemerkenswert, mit welchem Vertrauen und wie kompromisslos er mir das ganze überließ. Und ich ertappe mich dabei, wie ich etwas tat, was ich in meinem Leben bisher eigentlich viel zu wenig getan habe. Ich reagierte einfach aus dem Bauch heraus und ohne hier groß ein Für und Wider abzuwägen - will heißen - ich nahm den Karton so kompromisslos an, wie er ihn mir in die Hand gedrückt hat, mache mir keine großen Gedanken mehr und mit einem kurzen „Super - danke" ziehe ich ab.
Das eigentliche Problem, warum ich zu ihm gekommen war, war dabei unbemerkt schon wieder in den Hintergrund getreten und ich würde deswegen zu einem späteren Zeitpunkt noch mal bei ihm vorbeischauen müssen.

Fotos von Schweden - keine Ahnung wie viele es waren und von welchem Inhalt sie geprägt waren. Aber allein der Gedanke, auf diese Art noch mal einen Teil einer Reise nachvollziehen zu können, die laut Tobias' Aussage schöner nicht hätte sein können, macht mich glücklich und neugierig. Ich sollte nicht enttäuscht werden……………

Keine Kommentare: