Sonntag, 3. August 2008

Eine Frage zu stellen kann verdammt schwer sein

Es stand ja noch immer mein Problem, wie ich Tobias klar machen sollte, dass ich ihn mag und Interesse an gemeinsamen Wanderungen mit ihm habe. Gelegenheiten, mit ihm dieses Thema anzusprechen, hätte es in der vergangenen Zeit sicherlich mehr als genug gegeben. Und hätte ich hier einen gleichaltrigen Menschen vor mir gehabt, wäre das ganze um ein vielfaches einfacher gewesen. Aber in dem Fall? Ich habe diesen Wunsch und die nötige Anfrage an Tobi also schlicht immer wieder verdrängt.

In den Jahren 2005 bis 2007 hatte ich mit meiner Familie wieder den Urlaub in Ungarn und auf Mallorca verbracht. Aber so richtig glücklich machten mich diese Unternehmungen nicht mehr. Es ist dort wunderschön, aber es sind mehrere Sachen, welche mich immer häufiger zweifeln ließen, ob diese Länder auf Dauer Reiseziel Nummer eins sein werden. Da ist allein schon das Klima. Hitze ohne Ende war noch nie mein Fall und wird es auch nie werden. Dennoch hatte man der Familie zuliebe diese Umstände in Kauf genommen. Da ist weiter der große Wunsch, auch noch andere Länder, andere Gegenden und Menschen kennen zu lernen. Dieser stößt nicht auf die nötige Toleranz. Und es kommt erschwerend dazu, dass die Krise, welche in unserer Beziehung schon länger existiert, immer mehr zum Tragen kommt. Was also lag näher, als für 2008 einmal einen Urlaub ganz anderer Art zu planen und, wenn nötig und nicht anders möglich, auch ohne Familie zu realisieren.

Es muss so Oktober 2007 gewesen sein. Genau kann ich das heute nicht mehr sagen. Man kann es sich nur schwer vorstellen, aber ich habe es endlich geschafft, Tobias auf dieses Thema anzusprechen. Aber es sollte im Nachhinein am besten keiner danach fragen, wie schwer mir das gefallen ist. Warum ich damit solche enormen Schwierigkeiten hatte, kann ich mir nicht erklären. Ich habe keine Ahnung, warum mir das Ansprechen anderer Menschen mitunter so schwer fällt.

In unseren Büroräumen befindet sich auch eine kleine Küche, in welcher halt über die Mittagszeit jeder so seine entweder als Fertigmenü gekauften oder daheim vorbereiteten Mahlzeiten verzehrfertig macht. Eigentlich wollte ich in diesem Moment ins Chefbüro, aber ich sehe so im Vorbeigehen, dass Tobias gerade dabei ist, sich eine Mahlzeit zuzubereiten. „Jetzt oder nie….“ denke ich nur noch ganz kurz und dann stehe ich auch schon neben ihm. „Du Tobi – ich suche für nächstes Jahr noch jemanden, der mit mir zusammen nach Schweden fährt - wandern……“. Meine Stimme klingt erstaunlich sicher aber ich glaube, wenn ich jetzt irgendjemandem die Hand hätte geben müssen, derjenige hätte diese unweigerlich zurückgewiesen. So schweißnass und kalt waren meine Hände. In diesem Moment wird mir aber auch schlagartig bewusst, was ich da eigentlich gesagt habe. Ich habe Tobias nicht etwa auf eine gemeinsame Tageswanderung oder ähnliches angesprochen. Schweden bedeutet, dass dies ja eine mindestens einwöchige Tour wird. Das heißt letztlich, ich habe Tobias gegenüber gerade den Wunsch geäußert, ob er als 22jähriger einen ganzen Teil seines Urlaubs mit einem bald 50jährigen verbringt. Bin ich eigentlich noch ganz klar im Kopf?

Tobi, locker wie immer: „Habe normal für nächstes Jahr noch nix geplant.“ Ich weiß nur zu genau, dass das Thema Schweden für ihn mit Sicherheit nicht die unangenehmsten Erinnerungen birgt. Und genau das bringt auch sein Schmunzeln zum Ausdruck, welches er unvermittelt aufsetzt. Sein Gesichtsausdruck spricht Bände und er braucht eigentlich momentan gar nichts sagen. Ich glaube auch so zu wissen, was grad in seinem Kopf vorgeht. „Mit dir auf Trekking-Tour nach Schweden? Geht sofort los……..“. Ja wie? Was jetzt? Von ihm kein „mal sehen“ oder „vielleicht“? Nein – hier und jetzt ein ‚geht sofort los’. Erst trau ich Feigling mich nicht ran, und jetzt kann ich kaum begreifen, was da grade als Antwort gekommen ist. „Würdest Du das echt mitmachen?“. Mehr bringe ich momentan nicht raus. „Klar. Sollten wir halt nur mal drüber reden, wann, wie, wohin – naja, weißt schon, was ich meine.“ Als wäre es das natürlichste der Welt, gibt Tobias mir diese kurze Antwort. Ich glaube, er ist sich nicht im Geringsten bewusst, was er damit für eine Achterbahnfahrt der Gefühle in mir ausgelöst hat. Woher soll er das auch wissen? Tobi lacht übers ganze Gesicht und ich stehe da wie Max und versuche zu verarbeiten, was da in diesen wenigen Minuten grade geschehen ist. Ich greife mir nur noch meine Jacke und den Schlüssel zur Büro-Tür, vergesse sogar das Gespräch beim Chef und muss erst mal an die Luft. Für mich ist das alles im Moment einfach zu viel. Unten angekommen, atme ich ein paar Mal tief durch und beginne dabei so langsam zu realisieren, was da grad gelaufen ist und dass die Erfüllung einer meiner größten Träume im wahrsten Sinne des Wortes greifbar nahe ist.

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