Sonntag, 3. August 2008

Wo soll es denn in Schweden eigentlich lang gehen?

Gute Frage. Bis jetzt stand eigentlich nur ganz sicher fest, dass es Ende Juni mit dem Flieger nach Stockholm geht. Diese Buchung stand. Aber welchen Weg wir dann einschlagen würden, da waren wir uns in keiner Weise im Klaren oder besser – hatten wir noch recht wenig darüber diskutiert.
Fakt war, dass wir auf Grund meiner wenigen Erfahrungen im Outdoor-Bereich keine übermäßig schwierigen Touren wählen konnten. Also an so Strecken wie beispielsweise die Fjäll-Gebiete in Nordschweden, aber auch verschiedene Gebirgszüge Mittel- und Südschwedens war noch nicht zu denken. Dessen war sich auch Tobi bewusst und ich rechne ihm heute noch ganz hoch an, dass er mir das auch zu keiner Zeit zum Vorwurf gemacht hat, obwohl ich ihm schon angesehen habe, dass es ihm recht gewesen wäre, auch schwierigere Streckenabschnitte in unsere Tour mit einzubeziehen. Nach einigem Abwägen verschiedener Möglichkeiten hatten wir uns dann für den Höglandsleden (Hochlandsweg) entschieden, der uns durch einen großen Teil Südschwedens führen sollte. Wir hatten uns dazu vom schwedischen Tourismusverband Arneby schon Unterlagen kommen lassen. Aber warum diese Strecke dann doch wieder verworfen wurde, vermag ich heute nicht mehr zu sagen. Letztendlich haben wir uns dann doch dazu entschieden, eine ungeführte – also nicht beschilderte – Wanderung durchzuführen, auf welcher wir uns zu einem großen Teil auch offroad durch fast unberührte Natur bewegen würden. Wir planten, ab Stockholm mit der Bahn südlich zu fahren und dann immer die Schärenlandschaft an der Ostküste nordwärts zu wandern um letztlich einen Zielpunkt des Fußmarsches wieder südlich von Stockholm zu setzen. Die Rückkehr nach Deutschland war zwar terminlich in etwa geplant, die Art und Strecke der Rückreise war aber noch gänzlich offen.

Eine erste grobe Planung fand per Google-Earth statt, aber es zeigte sich recht bald, dass wir ohne detailliertes Kartenmaterial hier wohl nicht sehr weit kommen würden. Tobi hatte sich zum Zweck der GPS-Führung ein gutes Navigationsgerät angeschafft – laut seiner Aussage auch ganz günstig bei einem Fachhändler erworben. „Ich werde mal sehen, dass ich dafür digitalisierte Wanderkarten in einem guten Maßstab finde. Die Gebiete in Südschweden sind eigentlich alle erfasst und da ist bestimmt was Passendes zu bekommen.“ „Na da wart´s mal ab!“ sage ich noch so lässig zu ihm. „Die Geräte hat man günstig auf den Markt gebracht, aber die Karten dazu wirst Du wahrscheinlich sündhaft teuer bezahlen müssen. Ich kenn das noch von meinem eigenen Navi. Da hab ich knapp 120 Euro für Mitteleuropa berappen dürfen.“ „Ach was- so teuer wird´s nicht werden.“ konterte er noch. Worauf er am nächsten Morgen – nachdem er selbst im Internet recherchiert hatte - allerdings zugeben musste, dass nur für Südschweden – und da auch nur in etwa für das Gebiet, in welchem wir wandern wollten – er cirka 180 Euro für das Kartenmaterial hätte bezahlen müssen. Das hätte natürlich unser Budget bei weitem überschritten, zumal wir diese Karten ja auch wahrscheinlich nicht oder nur höchst selten hätten wieder verwenden können. Es blieb uns also nichts anderes übrig, als nach geeigneten gedruckten Karten in einem brauchbaren Maßstab zu suchen. Dass das aber einer Suche nach der berühmten Stecknadel im Heuhaufen gleich kommen sollte, war uns dazumal nicht im Geringsten bewusst. Man geht eigentlich davon aus, dass auf Grund des Bekanntheitsgrades und der Beliebtheit der südschwedischen Regionen, welche ja touristisch im Allgemeinen sehr gut erschlossen sind, auch geeignetes Kartenmaterial zur Verfügung steht. Dem ist auch so. Aber es mag wahrscheinlich nicht genug so verrückte Zeitgenossen wie uns beide geben, die sich in den Kopf gesetzt hatten, dieses Gebiet abseits jeglicher geführter Wanderwege und Straßen zu durchqueren. Und eben dafür sind Karten nur schwer zu bekommen. Nach schier endloser Suche im Internet hatte ich dann schon den Entschluss gefasst, die Strecke mit Hilfe von digitalem Kartenmaterial, welches über GoogleMaps im Internet zugänglich ist, selbst Stück für Stück herunter zu laden und entsprechend aufzubereiten.

Region Vimmerby

Ein fast nicht machbares Vorgehen. Aber es schien keine andere Möglichkeit mehr zu geben. Einen kleinen Teil der Karten hatte ich schon auf diese Art aufgearbeitet, aber wir waren uns fast sicher, dass diese Verfahrensweise unendlich zeitaufwendig, extrem fehlerträchtig und damit wahrscheinlich von vornherein zum Scheitern verurteilt war. Zumal auch die Gewissheit bestand, dass wir dann ausschließlich die geplante Strecke hätten gehen dürfen. Hätten wir – aus welchem Grund auch immer – davon abweichen müssen, wäre sicher gewesen, dass die Umwege in unseren selbst erstellten Karten nicht enthalten gewesen wären. Also mussten wir uns notgedrungen nach einer anderen Möglichkeit des Kartierens unserer Wanderroute umsehen.

Irgendwie kam ich bezüglich der Karten dann auch mit einem anderen Kollegen ins Gespräch. Er bot mir an, über seinen Bruder, der wohl zeitweise sogar in Schweden lebte, geeignete Bezugsquellen zu erfragen, worauf ich ein paar Tage später dann die Web-Adresse des schwedischen kartographischen Verlages Kartförlaget von ihm bekam. Dieser wiederum arbeitete eng mit dem schon erwähnten schwedischen Landesvermessungsamt zusammen und auf dessen Web-Seite war sogar ein Händler in Kiel verlinkt, welcher den Vertrieb der Karten in Deutschland übernommen hatte.

Hier haben wir dann unsere Karten bestellt...

Das war sozusagen Rettung in höchster Not und DIE Adresse überhaupt. Bei diesem Händler lag uns sozusagen ganz Europa im Maßstab 1:50000 vor und wir konnten dort unsere detaillierten Karten aussuchen und bestellen. Und es erklärt sich letztlich von selbst, dass diese Karten natürlich wesentlich genauer und detailgetreuer waren, als die, welche ich in mühevoller Kleinarbeit versucht hatte, selbst zusammenzustellen. Diese Karten sind zwar auch nicht die billigsten und es war angesagt, dass wir auch hier genau recherchieren mussten, um nur zu kaufen, was unbedingt notwendig war. Aber wir konnten sicher sein, hier absolut aktuelles Kartenmaterial in den Händen zu halten, welches neben den notwendigen kartographischen Angaben auch Rastplätze, Campingplätze usw. verzeichnet hatte. Das feinste vom feinsten sozusagen.

Region Västervik

Diese Karten werden wir natürlich in gedruckter Form mitführen. Dennoch habe ich diese noch gescannt und kalibriert, so dass wir dieses nun doch noch digitalisierte Material als „Futter“ für unsere Navigationsgeräte verwenden konnten.

So waren wir natürlich auch endlich in der Lage, unsere Tour einer gewissen Feinabstimmung zu unterziehen, obwohl uns schon klar war, dass alle Eventualitäten sowieso nicht berücksichtigt werden konnten. Das allerdings macht ja zu einem gewissen Teil auch den Reiz einer solchen Tour aus. Aber zumindest konnten wir nun Tagesetappen und wichtige Wegpunkte definieren. Was natürlich auch äußerst wichtig war, war die Möglichkeit, Campingplätze ausfindig zu machen, an welchen wir unsere Wäsche waschen und gegebenenfalls auch unsere Vorräte an Proviant und Getränken wieder auffüllen konnten. Die Strecke in ihrer Gesamtheit hatten wir in etwa so abgesteckt, dass sich tägliche Etappen von maximal 20 km ergaben und dass wir spätestens nach jeweils drei Tagen wieder einen größeren Ort oder einen Campingplatz erreichten. Zum einen mussten wir natürlich genügend Ruhetage zur Verfügung haben, da es unmöglich gewesen wäre, am Stück die gesamte Strecke zu marschieren. Zum anderen durften wir uns aber auch zeitlich nicht über Gebühr unter Druck setzen. Nichts wäre schlimmer gewesen, als durch mangelnde Streckenplanung uns selbst ins Aus zu navigieren oder schlimmstenfalls sogar die Tour vorzeitig abrechen zu müssen.

Unsere Tour sollte nach diesem Beschluss nun etwa folgendermaßen aussehen:

29.06.2008 Flug / Anreise in Stockholm / eine Übernachtung in Stockholm
30.06.2008 Zugfahrt in den Süden nach Västervik
Ab 01.07.2008 Wanderung durch das Schärengebiet in nördlicher Richtung bis Nyköping
von da ab Zugfahrt zurück nach Stockholm und dann Rückreise nach Deutschland.

[Die Übersicht über die geplant Route werde ich als Karte später noch einfügen :-)]

Obwohl wir uns sicher waren, dass wir am 18.07.08 oder 19.07.08 zurück in Deutschland sein mussten, hatten wir uns die genaue Datierung der Ankunft am Ziel unserer Tour - Stockholm - offen gelassen. In Folge dessen stand aber auch überhaupt noch nicht fest, wie die Rückreise erfolgen sollte. Obwohl wir schon mehrfach das Für und Wider verschiedener Reisemöglichkeiten angesprochen hatten, waren wir in diesem Punkt noch zu keinem abschließenden Ergebnis gekommen. Wir waren hier etwas im Zwiespalt. Zum einen konnte zu diesem Zeitpunkt wirklich keiner genau sagen, wie die Wanderung verlaufen würde, ob wir in erster Linie gesund bleiben, wir uns nicht verlaufen usw. Die Faktoren, welche unsere Tour sowohl positiv als auch negativ beeinflussen konnten, waren vielseitig. Zum anderen war aber auch der Gedanke nicht vom Tisch, dass wir, wenn alles gut klappt und wir in unserem zeitlichen Rahmen bleiben würden, eventuell doch noch eine Fährfahrt nach Turku (Finnland) oder etwas anderes in Angriff nehmen. Es waren trotz aller Planung einfach viele Fragen offen, was ja eigentlich unser Vorhaben unterstützen sollte – weitestgehend ungeplant unterwegs zu sein. Aus dieser Sichtweise wollten wir uns daher auch auf keinen bestimmten Flug oder Zug festlegen. Andererseits hatten wir natürlich immer die enorm hohen Kosten vor Augen, welche uns ein für die Rückfahrt kurzfristig vor Ort in Stockholm bebuchter Flug oder Zug unweigerlich verursachen würde. Allein dieser Fakt war letztlich ausschlaggebend, dass wir uns dann doch noch für einen auf den 18.07.2008 geplanten Rückflug einigten. „Müssen wir uns halt Gedanken machen, wie wir dann rechtzeitig wieder in Stockholm sind.“ Tobias brachte mit dieser Aussage seine nun doch ein wenig aufkommende Traurigkeit und Unsicherheit zum Ausdruck, welche diese Fixierung auf einen bestimmten Flug bei ihm dennoch auslöste. Ich versuchte noch zu beruhigen, obwohl mir selber nicht ganz wohl war bei dieser Aktion. „Wir haben doch schon die Zugfahrt nach Västervik und von Nyköping nach Stockholm im Programm und kennen zumindest mal die Preise bei der schwedischen Bahn. Notfalls müssen wir halt zwischendrin noch ne weitere Strecke mit Bus oder Bahn fahren. So teuer ist der Spaß nicht aber wir kommen immer noch günstiger weg, als wenn wir dann bei Ankunft in Stockholm aufs Gradewohl einen eben passenden Rückflug buchen müssen. Wir haben aber durch unsere Streckenplanung auch mindestens drei Tage offen und die sollten reichen, um Differenzen auszugleichen.“ Tobi: „Haste auch wieder recht…. Also machen wir´s so. Wird schon schief gehen.“

Noch am gleichen Abend habe ich dann den Rückflug nach Deutschland gebucht.



Bei diesem Vorgang hatte ich während unserer Vorbereitungen das erste Mal das Gefühl, dass ich etwas unwillig und nicht aus voller Überzeugung tue. Dennoch – es ist sicherer so. Diese Unwilligkeit war aber auch einem Fakt geschuldet, welchen ich in diesem Moment für uns einfach noch nicht zulassen und wahrhaben wollte - den Gedanken an das Ende einer Reise, die noch nicht einmal begonnen hatte.

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